26.2.13

Resignierter Gehorsam: Das Elend des Mainstream-Journalismus

Ja, es hatte vornehmlich finanzielle Gründe, daß ich 2011 (als ich schlecht verdiente) zum Jahresende das FAZ-Abonnement kündigte, schließlich kostet es über 500 Euro jährlich. Aber wenn ich sie heute - leihweise - lese, sehe ich auch immer mehr inhaltliche Gründe, ihr skeptisch gegenüberzustehen und meine Kündigung nicht zu bereuen. Mein Skeptizismus geht dabei nicht so weit wie der eines rechtskonservativen Verlegers, geht aber prinzipiell in dieselbe Richtung. Was in der Politik die CDU ist, ist in der Publizistik die FAZ: Sie macht mit Verzögerung das nach, was die anderen schon vorgemacht haben, ist also nichts Originelles, Eigenständiges mehr, steht nicht mehr für eine eigene Linie, sondern allenfalls für Rückzugsgefechte, für zögernden Nachvollzug all dessen, was der Mainstream schon übernommen hat - und wird dafür von beiden Seiten verachtet: Von links heißt es: »Na endlich - hat mal wieder Jahre gedauert, bis die auch endlich Vernunft angenommen haben!« Von konservativer Seite zieht man sich nach etwas Schimpfen einfach zurück, weil die FAZ nimmer den Mut zu einer eigenständigen konservativen Linie hat. Ich meine damit gar nicht so sehr Formalien wie den Bilderverzicht auf der ersten Seite oder die Übernahme der neuen Rechtschreibung, sondern auch Inhaltliches. Ein Beispiel:
Runter mit den Stromkosten!
»Der Strompreis steigt und steigt. Die Politik weiß keinen Rat«, heißt es da. Stimmt doch gar nicht. »Die Politik« weiß genauso wie der halbwegs informierte Mann auf der Straße, was zu tun wäre, um die Stromkosten sinken zu lassen: Verzicht auf die Energiewende, den teuren alternativen Stromquellen das Nischendasein zuweisen, das sie verdienen (Windkraft nur für windgepeitschte Inseln, Solarzellen nur fürs sonnige Südeuropa - dann können die sich etwas Geld verdienen -, Biogas nur für sowieso anfallende Abfälle wie z. B. Gülle und nicht zur mutwilligen Vermaisung halb Deutschlands), die stillgelegten Atomkraftwerke wieder ans Netz nehmen und so lange betreiben, bis sie nach 50 Betriebsjahren oder so altershalber vom Netz gehen müssen, Fracking erlauben zur Hebung der Schiefergasvorkommen unter Deutschland. Das war's - jeder weiß, daß man damit die Energiekosten günstig halten könnte; es fehlt nur der politische Wille, so zu handeln. Bei der FAZ, die sich konservativ, manchmal auch liberal schimpft, fehlt mittlerweile offenbar sogar der Wille, das offen auszusprechen und zu fordern, so groß ist offenbar die Furcht, etwas zu schreiben, was vom (deutschen) Mainstream abweicht. Dazu muß man mittlerweile schon die JUNGE FREIHEIT lesen.
Stattdessen übt man sich im resignierten Kuschen. Empfehlungen werden gegeben fürs private Stromsparen, nicht für die Energiepolitik. Besonders einer der Energiespartips stieß mir sauer auf: In die Dusche solle man einen Perlator einbauen - eins von diesen fiesen Dingern, die auf Geheiß der Brüsseler Bürokraten den Durchfluß, ganz sicher aber den Spaß unter der Dusche empfindlich reduzieren sollen, indem sie mehr Luft als Wasser versprühen, mehr die Illusion einer Dusche vermitteln als eine Dusche. Schon 2010 wünschte ich, den Eurokraten deshalb mit der »Riesen-Tropendusche« tüchtig den Kopf zu waschen. Zwischenzeitlich schienen die Eurokratenpläne zum »Öko-Design der Duschköpfe« wieder eingeschlafen zu sein, aber die Eurokratie ist zäh, sie bleibt am Ball, und anscheinend wird's doch allmählich ernst mit diesen miesen Plänen, so las ich es neulich online in der WELT. »Wie ich die EU hasse!« lautete der oberste Leserkommentar, den ich auch so formuliert hätte. Genauso hassenswert ist dieser schlaffe Mainstream-Journalismus, der nicht wider den Stachel EUdSSR löckt, sondern sich resigniert-»alternativlos« gibt wie dieser Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: »Tatsächlich ist der Wasserverbrauch bisher noch nicht EU-weit reguliert« - welch schlimme Lücke zwischen Gurkenkrümmungsrichtlinie und Glühbirnenverbot! »Nur noch aus besonders sparsamen Duschköpfen und Wasserhähnen soll künftig zwischen Lissabon und Helsinki Wasser fließen.« Dabei ist in Helgoland, Helsingör und Helsinki Wassersparen gar nicht nötig, im Gegenteil, Wasserwerker beklagen sich, daß sie immer öfter die Abwässerkanäle mit Frischwasser durchspülen müßten, weil aufgrund der Wassersparerei eine immer dickere Brühe immer träger durch die Kanäle fließe ...
Oh Herr, schmeiß Hirn vom Himmel - und gib deutschen Mainstream-Journalisten und erst recht deutschen Politikern den Mumm, gegen Brüssel aufzumucken!

NACHTRAG:
»Hörstel: ›Also, eine Tatsache im öffentlich-rechtlichen System, und inzwischen auch in unseren Mainstreammedien, ist nur das, was vom Kanzleramt gewünscht ist, vom Chefredakteur befohlen wird und was auf der Linie Washingtons liegt. Wir sind im Prinzip medienmäßig längst ein Sowjetsystem geworden.‹«
Näheres auf eigentümlich frei.

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