26.2.13

Neues aus der europäischen Gummizelle

Nachdem Gérard Depardieu nun die russische Staatsangehörigkeit angenommen hat, läßt er keine Gelegenheit aus, seine Liebe zu Rußland, seinem neuen Vaterland, zu bekunden. Zunächst einmal mußte er als frischgebackener Russe natürlich seinen Wohnsitz in Rußland nehmen. Und wo tat er das - in Moskau, in Petersburg etwa? I wo - in der tiefsten Provinz: in einer Plattenbauwohnung in Saransk, einer Stadt in Mordwinien. (Die Mordwinen sind ein Völkchen mit einer finno-ugrischen, also locker dem Finnischen und Ungarischen verwandten Sprache gut 1000 km östlich von Moskau.) Er werde dort sicherlich nicht wirklich wohnen, sein offizieller Wohnsitz sei lediglich eine sog. »Gummiwohnung«, d. h. eine Wohnung, in der (ähnlich den Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen) Dutzende von Menschen gemeldet seien, ohne dort wirklich zu wohnen, auf daß die nach wie vor strengen russischen Meldegesetze eingehalten und den amtlichen Organen kein Vorwand gegeben werde, jemanden etwa wegen Landstreicherei festzunehmen ...
Näheres hier: Depardieu zieht in mordwinische Gummiwohnung (die Adresse lautet übrigens »Straße der Demokratie 1«, und Eigentümer der Wohnung ist der Chef des sowjet..., äh, russischen Filmarchivs).
Wie gut sich Depardieu ins autoritäre russische Klima eingelebt hat, zeigen seine jüngsten Äußerungen über den brutalen Machthaber Tschetscheniens von Moskaus Gnaden, Kadyrow, über den es im SPIEGEL hieß:
»Er lädt schon mal Actionheld Jean-Claude Van Damme oder Oscar-Preisträgerin Hillary Swank zu seinem Geburtstag ein. Letzterer war es hinterher ganz doll peinlich, als sie erfuhr, dass sie einen Diktator besucht hatte, dem Menschenrechtsorganisationen seit Jahren schlimmste Verstöße vorwerfen. [...] Gérard Depardieu ist das offenbar ziemlich egal. Ohne lästige Gewissensbisse im Gepäck besuchte er Kadyrow am Wochenende. Der Präsident persönlich holte ihn am Flughafen ab und gab zu seinen Ehren ein Festessen. ›Mir gefällt Tschetschenien sehr gut. Hier leben offene, warmherzige Leute‹, sagte Depardieu« - und zwar hier.
Sollte D. sich jetzt in seiner »Gummiwohnung« in die Ecke stellen und wortlos schämen?
Verrückter als Depardieu ist Berlusconi allerdings auch nicht, der Poltergeist aus Europas Süden, der einfach keine Ruhe geben will - je oller, um so doller. Soeben hat er die Wahlen in Italien halb gewonnen und halb verloren, d. h. er und Bersani können und werden sich gegenseitig blockieren. Schizophrenie in Italien sozusagen. Das könnte uns in Deutschland egal sein, ebenso wie uns griechische, zyprische, spanische usw. Kalamitäten - abgesehen von der pflichtgemäß diplomatisch zu bekundenden Besorgnis - egal sein könnten, hätten wir uns nur nicht dummerweise per Währungsunion auf Gedeih und Verderb an diese Länder gekettet, und wenn sie untergehen, ziehen sie uns mit unter Wasser.
Sozialdemokraten wie Martin Schulz (EU-Parlamentschef) und Steinbrück haben schon - ähnlich schizophren - verkündet, man solle Europa nicht kaputtsparen, sondern es bedürfe einer Mischung aus Sparsamkeit und Wachstumsförderung: Gasgeben und Bremsen zugleich. Schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme. Lösung der Schuldenkrise durch Auftürmen noch höherer Schuldenberge.
Doch anstatt Beppe Grillos Forderung, Italien solle aus dem Euro austreten, freudig anzunehmen, wird Angela Merkel wahrscheinlich wieder auf Teufel komm raus den Euro verteidigen wollen, »koste es, was es wolle« - also viel zu viel. Wann werden die Südeuropäer endlich merken, daß sie ohne den Euro besser fahren würden als mit ihm? Eine eigene Währung könnten sie abwerten und inflationieren, wie sie wollen - und Deutschland, Holland, Finnland etc. wären endlich eine gefährliche Last los. Aber auf eine solche Einsicht zu hoffen ist wohl zu viel verlangt im Tollhaus Europa.

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