Der »Leiharbeiter-Skandal« hat unlängst die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht, wie es bei Amazon so zugeht. Für die Kunden hat Amazon eine aufmerksame und dienstwillige Seite, da ist Amazon voll okay, für die Mitarbeiter sieht es offensichtlich schon nicht mehr ganz so toll aus - und für die Zulieferer (wie den MARTERPFAHL VERLAG) auch nicht.
Seit Jahren schon ärgere ich mich darüber, daß es bei Amazon keine vernünftigen Ansprechpartner gibt - für Kunden ja, aber nicht für Lieferanten. Das Impressum ist nichtssagend und verrät nur, daß die Website in Luxemburg erstellt und gehostet ist und das Unternehmen dort ansässig ist (aus Steuergründen natürlich). Dabei ist die Auslieferung für Deutschland natürlich in Deutschland, im zentral gelegenen Bad Hersfeld, dem Kurort mit dem riesigen Gewerbepark, gleich beim Buchgroßhändler Libri um die Ecke - der hat seinen Sitz zwar an sich in Hamburg, sein Auslieferungslager aber ebenfalls in Bad Hersfeld. Somit müßte eigentlich auch die deutsche Impressumpflicht für Amazon bestehen, aber bei einem Großunternehmen drückt man offensichtlich sämtliche Hühneraugen zu.
Seit 2002 kann ich Amazon nicht mehr direkt zu 35 % Rabatt beliefern, sondern liefere mit 50 % an Libri (oder KNV), und diese Buchgrossisten leiten die Bücher dann mit ich-weiß-nicht-wieviel Prozent Rabatt an Amazon weiter. Schön blöd - das Geld für die Grossisten hätte sich Amazon sparen können - und ich auch. Diese 15 % hätten wir uns teilen können.
Seit Jahren schon fummelt Amazon an seiner Software rum - z. B. als mein Titel »Sex für Fortgeschrittene« im Frühsommer 2007 bei Amazon.de auf Platz 6 der Bestsellerliste stand - und plötzlich von dieser verschwand. Über die Suchfunktion war er nach wie vor zu finden - und da stand dann nach einigen Tagen zum Beispiel, »Sex für Fortgeschrittene« habe den Verkaufsrang 62 - aber auf Platz 62 der Bestsellerliste befand sich ein anderer Titel eines anderen Verlages. Auf Beschwerden reagierte Amazon ... nun ja: zurückhaltend ... Ihre Software sei ihr Geschäftsgeheimnis, die gehe andere nichts an. Das ging so lange, bis der Titel aus den »top 100« herausgerutscht war - und monatelang nicht mehr hochkam. Im ersten Halbjahr 2007 hatte ich 20.000 verkauft, im zweiten 26, ein Berg Remissionen, über 1000 Stück - solche Folgen hat das Software-Rumgefummel bei Amazon.de.
Im April 2008 erlitt Amazon einen Datenverlust, dem einige Titel bei mir zum Opfer fielen - gottlob ältere Titel, die schon vorher keine Bestseller waren und sich auch ohne Amazon fast ebenso wie vorher verkauften.
In den folgenden Jahren kam es gelegentlich vor, daß Titel mal kurz von Amazon verschwanden oder fehlerhaft gelistet waren. Da Autoren oft auf ihren Amazon-Eintrag starren wie das Kaninchen auf die Schlange, wurden sie rasch nervös. Ich daraufhin: »Machen Sie sich keine Sorgen, das renkt sich wahrscheinlich innerhalb von wenigen Tagen wieder ein - falls nicht, kann man sich danach immer noch aufregen.« Ein Agent eines Autors zieh mich daraufhin der Gefühllosigkeit und meinte: »Wenn da was nicht stimmt, dann ruft man da an!« Gern - aber wo nur? Wo findet man eine Telefonnummer eines kompetenten Mitarbeiters? Die kann man bestenfalls auf Umwegen ermitteln ...
Vor einem Jahr noch konnte ich Zusatzinformationen zu Buchtiteln (Klappentexte, Rezensionen) noch unkompliziert über ein Online-Formular auf der Amazon-Website eingeben. Das geht jetzt nicht mehr. Amazon möchte alle Verlage in sein sogenanntes »Advantage-Programm« hineinzwingen - das in Wirklichkeit ein Disadvantage-(=Nachteils-)Programm ist. Den kümmerlichen Vorteil, daß die eigenen Titel immer auf »lieferbar« gestellt sind, erkauft man mit einem Effektivrabatt von 55 % - 50 %, der gesetzliche Höchstsatz, plus 5 % »Lagerhaltungsgebühren« oder dergleichen. Bei einem alten Kunden wie mir, so ließ eine Managerin wissen, sei man schon bereit, auf 50 % insgesamt herunterzugehen - aber nur wenn ich alle Titel in einer mit Amazon verbandelten Print-on-Demand-Druckerei drucken ließe - und die ist locker doppelt so teuer wie andere Druckereien ...
So müssen meine Titel leider vorerst ohne Zusatztexte auskommen ...
Hier das Börsenblatt zum Ausstieg des VAT-Verlags, hier dasselbe auf der VAT-Website. Zitate daraus: »50 % Rabatt, zzgl. 5 % Lagermiete, zzgl. Alleintragung aller Portokosten, zzgl. Jahresmitgliedsgebühr, zzgl. nahezu jedesmal für mich nicht nachvollziehbare zusätzliche Abzüge bei den verbleibenden Summen. De facto dürfte sich allein hieraus ein »Rabatt« zu Ihren Gunsten von über 65 % ergeben. Von den verbleibenden 35 % [...] soll ich den Druck und die Autoren bezahlen? [...] Das alles vor dem Hintergrund, dass wir selbst die monatliche Rechnung mühsam ausstellen und zusenden müssen. Schon geringste Fehler in dieser wurden von Ihrer Rechnungsabteilung als Vorwand benutzt, wiederum erst etliche Wochen später auszuzahlen, obwohl Sie sowieso schon sehr spät auszahlen. Wir müssen alle unsere Produkte in Ihrem Warenwirtschaftssystem selbst einpflegen, Fehler werden nur mit extremer Zeitverzögerung korrigiert und dann meist wiederum falsch. Sie senden Bücher ohne Lieferschein und Begründung zurück – und bestellen oftmals am selben Tag dieselben Bücher erneut, was vollkommen unnötigen Portoaufwand bedeutet. Ihre Mitarbeiter am Telefon wechseln ständig, sind oft des Deutschen kaum mächtig, reden in Standardformeln und lösen die Probleme, die üblicherweise Sie verursacht haben, in der Mehrzahl der Fälle nicht. Seit 2008 habe ich Sie immer wieder auf diesen Wahnsinn aufmerksam gemacht [...] Es hat sich nichts geändert.«
Hier das Adieu von Verleger Christopher Schroer: »Seit Jahren ist es uns als Verlag ein Dorn im Auge, dass Sie an kleine Zulieferer wie uns überzogene Rabattforderungen von 55% stellen. Nein, es muss ja, um mit dem Buchpreisbindungsgesetz konform zu sein, heißen: 50% Rabatt plus 5% Lagerkosten. [...] Auch haben wir akzeptiert, dass Sie mit luftigen Buchungstricks bei der Umsatzsteuer Ihren Gewinn maximieren; dass Sie von kleinen Zulieferern verlangen, Rechnungen zu stellen, die dann ins EU-Ausland versandt werden müssen; dass Sie sich vertraglich einen unglaublichen Skontorahmen einräumen lassen. Dass neue, frisch angelieferte Titel in Ihrem eigenen ›Marketplace‹-Anbieterkonto als Mängelexemplare auftauchen. [...] Dass Sie Ihre Marktmacht gegenüber Ihren ›Partnern‹ rigoros ausnutzen, sollte wohl jedem klar sein: Lebendig erinnern wir uns an Ihre Aktion gegenüber den ›Independent Publishers‹ in Ihrem Heimatland, wo Sie neue Konditionen diktierten. Wer nicht mitzog, der wurde einfach ausgelistet, dessen Bücher waren urplötzlich nicht mehr verfügbar. Aber das haben wir hingenommen, zwar nicht ganz freiwillig, denn will ein Kleinverlag von Endkunden wahrgenommen werden, ist es zwangsläufig verpflichtend, bei Ihnen gelistet zu sein. Amazon macht sichtbar [...] oder: Was es bei amazon.de nicht gibt, gibt’s nirgends.
Wirtschaftlich trägt sich Ihr Geschäftsmodell für uns nicht. Hat es im übrigens noch nie. Zu überzogen sind Ihre Forderungen, wir fühlen uns [...] als Bittsteller, der bitte, bitte, bitte seine Bücher über Ihre Plattform vertreiben darf, und zwar zu Konditionen und Verträgen, die Sie diktieren.« Dazu auch das Magazin handel.de.
Hier die FAZ zur Kritikwelle, auch aus der Sicht einer Leserin, deren sämtliche Ebooks nach Kündigung ihres Amazon-Kontos von ihrem Kindle verschwunden waren - sie hatte in den AGB überlesen, daß sie nur die Nutzungsrechte erworben hatte und nicht etwa das Eigentum an den Büchern ...
Ein großer Verlag wie Diogenes verließ 2006 Amazon - und einigte sich dann doch hinter den Kulissen wieder mit dem Verkaufsriesen. Wer weiß, welches Schicksal den ausgestiegenen Kleinverlagen blüht ...
Neuerscheinungen aus dem Marterpfahl Verlag, Aktuelles, Politik - die Chronik des laufenden Wahnsinns ... - Der Marterpfahl Verlag ist seit der Jahresmitte 2024 Geschichte, den »aktuellen Wahnsinn« gibt es noch (leider), und es wird auch in Zukunft als freiberufliche Tätigkeit gelegentlich Neuerscheinungen geben, unter was für einem Label auch immer :-)
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