13.6.23

Sommerfrische am Ende der Welt - Teil VI: Welcher Knasttyp bist du? Welcher Kerker paßt zu dir?

Gefängnis in Sachsen: Vollzug in freien Formen nun auch für Frauen möglich

MO 29.5. – MI 31.5.: Entspanntes Leben in Baarle. Am Schluß gab ich mehr als einen Hunderter in der „Biergrenze“ u. a. für zwei Kästen Delirium red aus, das süffige Kirschbier mit 8,5 %, vorher etwas weniger im duftigsten Käseladen, den man sich denken kann, für allerlei Spezialkäse, ich saß bei schönem Wetter in den Straßencafés im Stadtzentrum, aß Kleinigkeiten wie z. B. Bitterballen zum Bier und schrieb und schrieb …

Belgien und Holland haben durchaus ihre Probleme, vor allem in den großen Städten, aber Baarle ist so wunderbar entspannt, daß ich ewig bleiben könnte …

So entspannt – aber weil's immer noch keine Umgehungsstraße gibt, blockieren sich in der Innenstadt die Vierzigtonner manchmal gegenseitig. Na ja, das gehört auch dazu …

Im Frühstücksraum des „Bunten Ochsen“ war ich ganz allein. Vor Jahren fand in diesem Frühstücksraum mal eine Friedenskonferenz verfeindeter Rockergruppen statt – da konnten sich die Kneipengäste abends glücklich schätzen, wenn sie noch aufs Klo durften, dessen Eingang drei Meter neben dem Frühstücksraum lag. Da stand nämlich eine Wache der Rocker gegen unerwünschte Gewalt …

MI 31.5.: Gegen Mittag fuhr ich weiter über Turnhout – Eindhoven – Lüttich (Stau) – und raus in Herve, um eine möglichst große Menge von diesem würzigen, stark riechenden Fromage de Herve einzukaufen. Aber ach … wo sonst ein Dutzend dieser Käsewürfel standen, gab's diesmal einen sehr dezenten Doppelwürfel, das war alles. Der überlebte die nächsten zwei Stunden nicht, als ich ihn zum Bier in einer gegenüber dem Supermarkt liegenden Kneipe verspeiste.

Weiter nach Osten – auf der Landstraße. In Kelmis – die deutsche Grenze war schon in Sichtweite – machte ich für heute Schluß, schlug mir mit gebratener Leber in einem Grillrestaurant den Bauch voll, schrieb mein Tagespensum, unterhielt mich mit den freundlichen Gästen und verzog mich dann – wieder einmal – in mein Auto, das auf dem Parkstreifen der Durchgangsstraße geparkt war.

DO 1.6.: Zurück auf die Autobahn und auf dieser über die Grenze. A 4 bis Olpe – dann südwärts und wieder ostwärts auf der A 4, die nach diese Lücke ostwärts bis an die polnische Grenze bei Görlitz führt.

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Auch bis Crimmitschau am Westrand von Sachsen. Ein Weg, gespickt mit Lastwagenkavalkaden, überfüllten Parkplätzen, Staus … Wieder einmal wird klar: Die schönen Flecken sind durch zu viel öde, stressige Autobahnkilometer voneinander getrennt … leider …

Auch manche Autohof-Tankstelle in Deutschland akzeptiert nur noch Kreditkarten. Endlich – kurz vor Crimmitschau – finde ich eine „normale“, tanke und lege mich in Sichtweite der großen Brummis im Hotel Dacia mit ein paar Dosenbieren zur Ruhe. Die Schreibpflicht habe ich mir vom 1. bis 10. Juni ausgesetzt; gehalten habe ich mich daran nur mäßig, wie die ersten Etappen dieses Reiseberichts zeigen. Nachts wurde es oft kühl. „Wernigerode 3 Grad“ meldete der Rundfunk einmal morgens.

FR 2.6.: Weiter nach Crimmitschau, und schon um 9 Uhr morgens parke ich vor dem Erotikclub am Ostrand Crimmitschaus, in dem der 24-Stunden-Knast stattfand und auch heuer stattfinden würde. Scheppernde Geräusche verrieten mir alsbald, daß die Bauzäune, die – so à la Guantanamo – die Zellen abgrenzen sollten, offenbar gerade zusammengebaut wurden.

Bauzäune in einer turnhallenähnlichen Halle – eigentlich nicht so das Optimale. Aber was sonst wird denn geboten? dachte ich und meldete mich 2007 für den ersten 24-Stunden-Knast an.

Es war ein schönes Erlebnis. Mein Zellengenosse trug interessanterweise Windeln und später auch eine Zwangsjacke, er war mit einer der Wärterinnen befreundet und wußte dadurch mehr als wir anderen. So bedeutete er mir mit Zeichensprache am Morgen, nach rund 16 Stunden, daß von den 18 – damals nur männlichen – Häftlingen, die angetreten waren, schon acht gegangen waren, abgebrochen hatten. Ein Faible für Travestie hatte er auch.

So meldete ich mich für die zweite Veranstaltung 2008 wieder an. Bis zum anderen Morgen durfte ich die Zeit in (vollen) Windeln verbringen. Als die erste, abendliche Folterrunde durch war und sich die Knackis zur Nacht legten, wurde ich in meinen Ketten und Windeln separat von den anderen (wegen des Geruchs) in einem Drahtgitterkäfig nahe der Hallenaufsicht untergebracht. Die Aufsicht war eine Wärterin, die an einem Schreibtisch mit Lampe saß, während der Rest der Halle in Schlaf und Dunkel versank. Auch die Lampe löschte sie irgendwann und lauschte im Halbdunkel, ob alles mit rechten Dingen zuging … Ab und zu huschte der Strahl ihrer Taschenlampe über mich. Ich stellte mich schlafend …

Anderntags bei der „Entlassung“ fragte sich mich: „Hast du dir einen runtergeholt?“ – „Ja, zweimal.“ – „Ich wußte es!“ – „Warum auch nicht? Ist ja nicht verboten …“ – „Wenn ich dich dabei erwischt hätte, dann hätte ich ohne Rücksicht auf die Nachtruhe der anderen …“ … was, weiß ich nicht mehr; … hätte es vermutlich einen lautstarken Anschiß gegeben. So hätte ich mich bei den anderen noch beliebter gemacht …

Am Morgen wurde ich im Hof mit einem Schlauch abgespritzt, und fortan war für mich TV-Erziehung angesagt, also im Röckchen. Mich nannten die Ladies fortan „Elschen“.

Eine Domina später: „Als wir Frauen einen Tag vorher kamen, waren wir alle völlig überdreht und in giggliger Stimmung, und ein Satz war ein Standardmotiv: ,Elschen, Elschen, was soll nur aus dir werden?'“

Die Ladies amüsierten sich damit, mir den „weiblichen Gang beizubringen“. Der Zellengang als Catwalk – und die anderen, in ihren Zellen eingeschlossenen „Häftlinge“ sahen zu. „Wir haben uns sogar überlegt, dir beizubringen, wie man ein Kind an die Brust anlegt, aber das war dann doch etwas zu albern …“

Nach Veranstaltungsende noch ein gemütliches Beisammensein. Als ich mich verabschiede, ruft mir jemand nach: „Las dich nicht von fremden Männern anquatschen, Elschen!“

Schon 2008 also, bei der zweiten Veranstaltung dieser Reise, spielte ich eine deutlich andere Rolle als die anderen „Häftlinge“.

Aber ich wollte mehr. Nun kann man sagen, ich könne ja nicht immer im Mittelpunkt stehen und nicht immer eine Extrawurst bekommen – die Extrawurst ist allerdings meist das leckerste Gericht auf der Speisekarte …

Die „Krankenstation“ wurde von „Frau Dr. Renate“ betreut, und mit der hatte ich bislang nicht das Vergnügen gehabt …

2009 mimte ich den „Psycho“, kam als letzter, wurde von den Dominas in eine Zwangsjacke gesteckt, auf einen Bürodrehsessel gesetzt, umringt, und eine rief: „Schafft ihn hier weg – irgendwie!“ (Ein Stephen-King-Zitat anscheinend; ich bin kein King-Fan, er ist einfach zu viel für mein zartbesaitetes Gemüt).

Schafft ihn hier weg“ oder „… raus“ – „… und wir wußten alle, daß es nicht die Abteilung für kleine Mädchen ist“, so später ein „Mithäftling“.

Aber zu den „Mithäftlingen“ hatte ich diesmal fast keinen Kontakt mehr – außer beim geselligen Beisammensein nach der Veranstaltung.

Auf Frau Dr. Renates Krankenstation war's recht gemütlich. Windeln, Bettfesseln, Rotweineinlauf („Mußt du morgen nach der Veranstaltung gleich Auto fahren?“), „Elektrobehandlung“ – alles vom Feinsten.

Und die Dominas waren schon zwei Tage vorher da. Ich hatte ihnen schon die Tasche mit dem Segufix, ausgeliehen von einem Freund, übergeben, hatte den Rotwein besorgt, den sie mir anal ins Gedärm jagen wollten, dann gar den zwölfprozentigen Rotwein durch einen mit 13 Prozent ersetzt, hatte besorgt gefragt: „Wie waren doch gleich die Safewörter?“ – „Ach, Rüdi, so was brauchst du doch nicht.“ Stimmt. Brauchte ich tatsächlich nicht. Der schönste Satz war allerdings: „Schön, daß du wieder mit dabei bist, Rüdi.“

Danach blieb noch Zeit für einen anderthalbtägigen Ausflug nach Görlitz, dieser schön erhaltenen alten Stadt.

Beim Abschied hatte ich allerdings das Gefühl, nun ist es genug, Zeit für was anderes …

In den letzten Jahren hatte ich immer wieder mal Anläufe gemacht teilzunehmen, aber – aus verschiedenen Gründen – auch wieder Rückzieher – bis es zu spät war, um die Renate noch in Aktion zu erleben; sie war in Rente gegangen.

Die letzten rund 30 Stunden vor der Veranstaltung verbummelte ich meist im Auto, dösend, radiohörend, ab und zu mal auf ein Bierchen und eine Bockwurst an die nächste Tanke gehend, bis der Termin näherrückte und meine Nervosität stieg. Der Parkstreifen füllte sich allmählich mit Knastteilnehmern, Wärtern wie Häftlingen …

Kurz vor meiner Abreise gen Spanien hatte ich mich auf den letzten Drücker beim diesjährigen (2023) 24-Stunden-Knast angemeldet und an den Veranstalter, den „Gefängnisdirektor“, geschrieben: „Daß ich unterwegs mangels Smartphone die ,Vorladung' nicht empfangen und beantworten kann, können wir so deuten, daß ich z. B. der ,Heidemörder' bin, der aus der Psychiatrie ausbrach und nach dreiwöchiger Fahndung endlich wieder eingefangen werden konnte.“

Eine Steilvorlage für jede Menge Unterhaltung und SM-Spaß im Rollenspiel.

Was macht daraus der Direx? Nix.

Ich war wieder der 08/15-Häftling.

Auch sonst hatte sich einiges verändert. Es gab deutlich mehr männliche Wärter als früher, und damit meine ich nicht unbedingt die devoten Frauen, die sich ihren eigenen Wärter in Gestalt ihres Ehemannes gleich mitbrachten, sondern irgendwelche Männer aus der Entourage des Veranstalters, und die waren oft … na ja … Die werte Alice Schniedel (AfD) drückte es vor dem Bundestag mal so aus: „Dafür sehen Polizisten immer häufiger wie Soldaten aus.“ Einer der Wachleute wirkte so martialisch und bewaffnet wie … ja, vielleicht wie in Guantanamo.

Ich mag's nicht, wenn solche Knastrollenspiele ins Militärische kippen. Schwule lieben aber oft genau das. Schwule Militärspiele gehören zu den mir am wenigsten gefallenden SM-Spielen.

Nichts gegen Schwule i. a., auch nicht bei Knastrollenspielen. 2007 war in der Nacht ein schwuler Wärter gekommen. Die Dominas mochten ihn nicht. Eine erzählte mir später grinsend: „Wir haben dann überlegt, zu wem wir den Typen hinschicken sollen, und da kamen wir auf dich, Rüdi. Du kannst doch was vertragen.“ Na, besten Dank, Mädels! ;-)

Der Typ kommandierte mich ein bißchen 'rum und ließ mich dann neben einem Schreibtisch knien, an dem er wie der Generaldirektor höchstpersönlich fläzte. Ich sollte ihm einen blasen.

Na, da hab' ihm eben einen geblasen. Mit Gummi drauf ist das eher so, als lutsche man an einer Stange Gummi – eher ulkig als eklig.

Solche Ficks sind kein Ausweis zärtlicher Liebe, sondern eine Machtdemonstration. Und wenn man nur ein kleines Würstchen ist und der Boß will einen Bums, na, dann gibt man ihm den in Gottes Namen, sonst gibt’s noch einen Arschvoll …

Ohne die Infektionsgefahr hätt' ich's ihm auch ohne Gummi besorgt; warum denn nicht? Ich seh' das ähnlich locker wie Dominique Strauss-Kahns Ehefrau, die mal gesagt haben soll: „Aber es ist doch vollkommen normal, vom Zimmermädchen im Hotel einen Blowjob zu verlangen!“ Genau! So nach dem Motto „Hier müßte auch mal gesaugt werden“. Ein gutes Trinkgeld geben und am Schluß noch einen Klaps auf den Po: „Gut gemacht, Mädel! Und jetzt wieder ab an deine Arbeit!“

Der Pseudodirektor war jedenfalls mit meinem Blowjob zufrieden; ich dürfe mir was wünschen. Ich wünschte mir eine ungestörte Ruhe für den Rest der Nacht, denn die Mädels hatten mich schon reichlich durchgenudelt; doch die Mädels wollten selbst diesen kleinen Eingriff in ihre Befugnisse nicht dulden, und am Morgen war der Mißliebige verschwunden wie ein Spuk in der Nacht …

Heute, 2023, schien mir fast alles anders – aber vielleicht war's nur meine gänderte Rolle in dem Ganzen, wie gesagt … Und dennoch:

Nun hatten die Mädels, darunter einige in Flecktarn, die jeden Feldwebel im Herumbrüllen zu übertreffen suchte, entdeckt, daß ich müffelte; wie auch sonst nach etlichen Nächten im Auto und immer wieder denselben Klamotten seit knapp vier Wochen? Da helfen auch Deos und gelegentliche Duschen nicht mehr.

Ausgerechnet die einzige, die mich noch von 2009 kannte (ich hatte keine Erinnerung mehr an sie) und die nicht wußte, was nun anders sein sollte als damals, brüllte nun herum: „Seift ihn ein, reibt ihn rabiat und spritzt ihn mit dem Schlauch ab, und wehe, ich höre einen Muckser von dir!!“ Oder so ähnlich.

Ich sah 20 bis 22 Stunden weitere Schikanen vor mir und zog die Notbremse: „Mayday!“

(Vielleicht hätte ich sie machen lassen sollen und dann, völlig nackt und eingeseift, brüllen sollen: „Das ist ja nicht mehr zum Aushalten! Ich muß hier raus!“ Und Fluchtbewegungen machen – das wär lustig geworden, bis die meinen flutschigen Körper in Ketten gelegt hätten …)

Tja, nun – passé.

Nach Mitternacht kam ich zu Hause an.

++++++++++++

Aber was gibt es denn nun für Knäste?

Am billigsten, aber auch am langweiligsten (weil fast ohne „Betreuung“) ist der staatliche Knast. Man beantrage beim nächsten Bußgeldbescheid die Umwandlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe, dann hat man das Bußgeld gespart und noch dazu das Haushaltsgeld für die betreffenden Tage. Man lebt auf Staatskosten. Man kostet den Staat Geld, statt ihm welches zu bringen.

Vielleicht sollten Sie die Gelegenheit ergreifen und gegen das Bußgeld Widerspruch einlegen. Vor Gericht sagen Sie dann, Sie wollten durch den Widerspruch nicht weniger, sondern mehr Strafe. Wenn sich die Ersatz-Strafhaft verlängert, kann man um so länger das Sparen beim Haushaltsgeld genießen … :-)

Etwas schwieriger: die Erzwingungshaft. 2021 bekam ich halbjährlich Briefe auf grauem Behördenpapier, ohne Anschreiben und Grußformel, einfach nur mit dem Satz: „Wenn Sie Ihre öffentlichen Schulden nicht bezahlen, müssen wir Sie in Erzwingungshaft nehmen.“ Ich zahlte die Fernsehgebühr eiligst, denn damals war die Vorstellung, aus dem Verkehr gezogen zu werden, ein Horror, hatte ich doch Wichtiges vor: den Verkauf meines Hauses, die Teilung und Verkleinerung meines Hausrats – da konnte ich keinen Spaß vertragen. Es ging eigentlich ganz einfach: Auf dem Konto nicht genug Deckung, als die Fernsehheinis gerade abbuchen wollten – und sie haben es auch nicht später, als wieder genug Deckung da war, noch einmal versucht, auch keine Kontopfändung versucht, weil sie offenbar dachten, da ist eh' nix mehr – stattdessen bekam ich gleich diese Briefe …

Heute würde ich das lockerer sehen und wäre zu dem einen oder anderen Späßchen schon aufgelegt, so nach dem Motto: Laßt sie ruhig mal antraben … Vielleicht schicken sie Samstagmorgen um sieben zwei fesche, stramme Polizistinnen mit Handschellen …

Leider laufen solche Spielchen oft nach dem Muster 1:100: Eine Stunde Geilheit (wenn überhaupt), 100 Stunden Langeweile.

Ziemlich kraß ist dem Vernehmen nach www.eingebunkert.de in Bamberg; 40 Stunden in einem Folterknast in einem Unrechtsstaat, bis hin zu Waterboarding, gibt es. Klingt verlockend, aber auch reichlich hart. Wurde früher zweimal jährlich angeboten, jetzt nur noch einmal.

Die www.jvagrossenhain.com/ in einem echten historischen Knast bei Dresden; war 2007 mal da und machte die Erfahrung: Einsitzen kann – bei Fehlen anderer Beschäftigung – furchtbar langweilig sein. Die Zeit kriecht und will und will nicht vergehen … Meine Gruppe bestand aus Männern, aber Heteros. Kurz zuvor war eine Schwulengruppe da, die „Vier Tage Sack- und Schwanzfolter für nur xxx Euro“ (so die Reklame) angeboten und praktiziert hatten. Der Oberfolterer war dermaßen rabiat, daß sein Folteropfer entfloh und mitten in der Nacht auf dem wenige hundert Meter entfernten Polizeirevier aufschlug … Was wohl die Anwohner von dem Zirkus hier denken? Inzwischen ist die Einrichtung in neuer Hand.

https://kerker24.de/ macht verschiedene Angebote für Einzelhäftlinge, vornehmlich Männer (dito jvagrossenhain; solche Szenarios ziehen schwule Männer an) und ist auf Monate ausgebucht.

Das https://www.kuk-bdsm.de/ in Sachsen-Anhalt bietet diverse Veranstaltungen an, darunter eine Knastveranstaltung (bis zu 96 Stunden!), „Leben im Gutshaus von 1900“, „Psychiatrie“, „Mädchenhandel“, „Internat“. Klingt oft verlockend, aber es fielen in den letzten Jahren viele Veranstaltungen aus – nicht nur wegen Corona. Um teilnehmen zu können, muß man eine zeitweise Mitgliedschaft im Verein erwerben.

https://daszuchthaus.de/ bietet einschlägige Aufenthalte an, hat mir aber auf eine Anfrage nicht geantwortet.

Hier: https://armytied.hpage.com/ gibt’s noch was; für jüngere Schwule anscheinend.

Wer es etwas gemütlicher mag, der mag's in einem der mittlerweile fast dutzendweise existierenden „Knasthotels“, quer über die Welt verteilt, probieren, Komfort mit etwas Grusel zu verbinden. Links erspare ich mir hier; es ist einfach zu viel.

So, das war's nun endgültig, liebe Leser! (Ca. 2520 Worte)

11.6.23

Sommerfrische am Ende der Welt - Teil V: Von der Bidassoa zur Biergrenze

Die komplizierteste Grenze der Welt (Teil 1) – Passport Party

Der Getränkemarkt "De Biergrens" in Baarle

Nahe dem spanischen Grenzlokal verlief der spanisch-französische Grenzfluß Bidassoa. In ihm liegt die Fasaneninsel, die halbjährlich abwechselnd von Spanien und Frankreich verwaltet wird – das wohl kleinste Kondominium der Welt. Hier wurden schon Friedensverträge, Geiseln und Bräute ausgetauscht …
Auf der Autobahn zunächst Richtung Bordeaux, dann Richtung Dax und Mont-de-Marsan. Auf einsamen Sträßchen nordostwärts, was manchmal entspannend ist – wenn wenig Betrieb ist; ist viel Betrieb, sind einem pausenlos ungeduldige Laster und Pkw im Nacken; das habe ich an diesen Tagen vor Pfingsten ganz unterschiedlich erlebt …
Allmählich muß ich wieder tanken, und was soll ich sagen: Manchmal muß ich fünf Tankstellen anfahren, bevor ich endlich eine finde, die gnädigerweise Bargeld akzeptiert.
Der Tag neigt sich zum Abend, und ich frage mich, ob ich mich schon wieder auf eine Nacht im „Hotel Dacia“ gefaßt machen soll. So langsam reicht es mir.
Da! Am Ende eines durchfahrenen Orts ein Schild: BAR HOTEL. Doch überlebt hat nur die Bar; ich trinke ein Bierchen und versuche es auf Anraten des Wirts 300 Meter vorher. Ja, da ist ein Hotel, durchs Fenster kann man den eingedeckten Frühstücksraum sehen, ein riesiger Laster parkt auf dem gekiesten Parkplatz, doch die Eingangstür ist nur mit einem Zahlencode passierbar, und niemand läßt sich sehen oder hören. Also weiter. Seufz.
Doch unverhofft kommt oft: 13 km nördlich von Bergerac plötzlich ein kleiner, hübscher Ort mit gleich mehreren Hotels; anscheinend auch ein beliebter Lkw-Übernachtplatz.
Sehr guter Salat, Bier, ein etwas rustikales, aber passables und vor allem nicht zu teures Zimmer, Dusche, eine erquickende Nachtruhe … Wohlig seufz :-)
FR 26.5.: Weiter über Nationalstraßen nach Norden bis Nordosten. Freundliche, grüne Landschaft, dünn besiedelt, aber leider ohne Berge und Meer für mich auch etwas langweilig, wenig Betrieb auf der Straße.
Irgendwann erreiche ich wieder Guérét, das freundliche kleine Städtchen in Frankreichs Mitte. Ich parke auf dem riesigen Marktplatz, ziemlich am unteren Ende, verziehe mich in das wohlbekannte Café am oberen Ende, versuche das Schreibdefizit nicht zu groß werden zu lassen …
Leider schließen die Cafés am oberen Ende des riesigen Platzes schon etwa um 20 Uhr, und das am Freitag, eines im mittleren Teil immerhin erst nach Mitternacht, und ein großes am unteren Ende schien das angesagteste Szenelokal zu sein, noch weit nach Mitternacht war es vom Party People so umlagert, daß viele nur einen Stehplatz fanden. Zum Glück schirmte ein großes Gebäude, das Gerichtsgebäude, glaube ich, mein geparktes Auto fast ganz vom Lärm des Partyvolks ab.
Die „mittlere“ Kneipe, nicht ganz so turbulent, die ich mir erwählt hatte, lag neben dem pompösen, riesigen Rathaus – ein Rathaus, das für eine zehnmal so große Stadt angemessen wäre …
Ein freakiger Althippietyp kam mit allen ins Gespräch, auch mit mir. Ich war mir mit ihm rasch darüber einig, daß „la politique est une vraie catastrophe“, die Politik eine einzige Katastrophe ist.
SA 27.5.'23: Als die Bar nach Mitternacht schloß, verzog ich mich ins Auto und döste noch einige Stunden vor mich hin, bis es im Morgengrauen lebhaft wurde, denn es war Markttag. Ich verzog mich mit meinem Auto an den Waldrand und döste noch ein paar Stündchen weiter.
Dann Weiterfahrt nach Norden. Gemütlich war's heut' auf den Landstraßen, die Lkws fehlten, und es war eine sehr gemütliche Fahrt durch weites, grünes und ziemlich flaches Land, ziemlich dünnbesiedelt. Nur das Fehlen von Tankstellen mit Bargeldakzeptanz störte.
Bei Orléans hatte ich schließlich genug und bog auf die gebührenpflichtige Autobahn ein, tankte und rollte mich – wieder einmal - auf dem Beifahrersitz für die Nacht zurecht.
SO 28.5.'23: Weiter nordwärts Richtung Paris. Die letzte Zahlstelle, bevor die Autobahn bei Paris gebührenfrei wird. Es sind vielleicht zehn Schalter, und im Gegenlicht kann ich kaum erkennen, welcher vielleicht Bargeld akzeptieren könnte …
Der meine jedenfalls nicht. Ich hatte mein „Ticket“ in den Schlitz geschoben, 23,80 € mußte ich zahlen – aber wie? Bar jedenfalls nicht … Es war auch kein „Abbruch“ möglich und kein Wechsel auf einen anderen Schalter; eine Frauenstimme erklärte mir auf englisch, ein anderes „Ticket“, eine Rechnung, zu Hause zu bezahlen … (muß ich auch noch machen:-(*
Die Autobahnen um Paris sind auch am Sonntag eine Katastrophe. Weiter nordwärts nach Lille. Ich wollte gleich weiter über Gent nach Antwerpen fahren, aber irgendwo muß ich mich wohl fehleingeordnet haben … Erst mal auf der ersten belgischen Autobahnraststätte ein Bierchen (auf französischen gibt’s keine mehr).
Weiter über den Brüsseler Ring und dann nordwärts. Antwerpener Ring. (Die schönen Flecken in Europa sind durch zu viele häßliche, öde und stressige Autobahnkilometer getrennt.) Endlich war ich in Baarle, dem niederländisch-belgischen Doppeldorf, wo die Gäste beim Abendsonnenschein im Zentrum in den Straßencafés saßen, darunter in solchen, wo man den Oberkörper nach Belgien neigt und die Füße in den Niederlanden parkt (oder umgekehrt)  – und meine „Stammresidenz“, das Hotel zum Bunten Ochsen, hatte auch gleich ein Zimmer frei, wie üblich ein bißchen schrottig (irgendwas funktioniert immer nicht), auch 50 Euro teuer mit Frühstück statt 35 – aber ich schien fast der einzige Gast zu sein.
Schön, diesmal auf drei Nächte hier zu sein! Ich bestellte mir eins dieser bläßlichen, kleinen Jupiler**-Pilse nach dem anderen und machte mich daran, mein Schreibdefizit zu verkleinern.
Draußen wurde es frisch. Die Tür wurde geschlossen. Die Anwesenden bemühten sich, die Gaststube gemütlich vollzuqualmen. Ganz wie früher.
Um halb elf etwa hatte ich genug geschrieben und genug Bettschwere und sank ins schwabbelweiche Bett, wohligen Träumen entgegen … (ca. 881 Worte) 

**Sprich: „Schüppiler“, mit einem weichen, stimmhaften S wie in „Journalist“, keinesfalls „Jupiter“, wie es irrtümlich manchen Deutschen passiert, auch mir. Diese meistverbreitete belgische Biermarke, ein bläßliches Pils, ohne Schaumkrone serviert (eher wird der Schaum da noch mit dem Messer glattgestrichen), ist wohl nach Lüttichs Vorstadt Jupille benannt. 

*Als ich es mit Verspätung tat, war auf dem Bildschirm zu lesen: »Kein Dossier für dieses Kennzeichen«. Da hatte mir die mitleidige Angestellte wohl die Maut erlassen ...  

8.6.23

Sommerfrische am Ende der Welt - Teil IV: Vom Bumshotel zur bangen Frage „Bin ich noch fit für den Kerker?“



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Ausstattung in dem romantischen Bumshotel in Fisterra 2016 - jetzt auch nimmer so ... (Bild vom Verfasser) 

Die vier Tage in Fisterra waren Tage des Schreibens, Spazierengehens und Genießens. Also genau, wie es sein soll. Das „Gesicht“ des Ort ist gen Osten gekehrt, der geschützten Bucht zugewandt, den „Rücken“ dem Atlantik zugekehrt. Einen kleinen Strand gibt es am Atlantik, aber den habe ich noch nie aus nächster Nähe gesehen. Entweder wollen die Mitreisenden wieder zurück nach Santiago, und mit dem Auto kann man nicht bis nahe an den Strand kommen, oder ich bin ein bißchen gehandicapt …
Froh saß ich am Abend der Ankunft in einem der Lokale am Hafen, den Blick nach Osten über die Fischereiboote und Jachten; das Schreibsoll hatte ich erfüllt, den Magen im Laufe des Tages mit rund drei Litern Bier angefüllt. Jetzt mußte ich nur noch das Gepäck aus dem rund 500 Meter entfernt geparkten Auto holen und ins Hotel Nr. 1 schaffen …
Plötzlich trat ich in ein Loch und fiel hin. Es geschah so blitzartig, daß ich an den Vorgang selbst keine Erinnerung habe, sondern mich auf dem Boden wiederfand, dem mit Steinfliesen belegten.
Mit Hilfe eines Müllcontainers rappelte ich mich mühsam wieder auf. (Von den rund 30 Meter entfernten Cafégästen half mir keiner.) Ich konnte gehen, ohne zu humpeln, aber die linke Schulter und die linken Rippen, auf die ich gefallen war, taten tagelang weh, zumindest bei bestimmten Bewegungen.
Mühsam und mit kleinen Schritten ging ich zu meinem Wagen, holte das Gepäck und brachte es ins Hotel, fiel bald darauf in tiefen Schlaf …
SA 20.5.'23 – DI 23.5.'23: Die folgenden Tage verliefen alle ähnlich: Vom Hotel bis zu den Lokalen am Hafen, Schreiben, Essen (Pulpo à la gallego, Krake auf galicische Art – mmm! – Nicht der Pulpo, aber manche Lokale generell sind von einer Knoblauchwolke eingehüllt, die einen nordeuropäischen Knoblauchhasser umhauen dürfte), aber für den etwas weiteren Spaziergang zum Atlantikstrand fehlte mir die Kraft. Ja, Asche auf mein Haupt – aber wenn man bei jeder falschen Bewegung ein Brennen an den linken Rippen verspürt, dann bewegt man sich eben nur aufs nötigste.
„In Fisterra sind die Sommer angenehm; die Winter sind kalt, naß und windig, und es ist das ganze Jahr über teilweise bewölkt“ (von einer Wetterwebsite).
Es regnet über 1000 Millimeter im Jahr, also bedeutend mehr als z. B. in Stuttgart oder Tübingen (rund 700 Millimeter), aber im Vergleich zum pissigen und stürmischen Winter läßt's im Hochsommer stark nach. Ich hatte fast immer Sonnenschein; die Temperatur im Schatten erreichte aber kaum 20 Grad, und im Schatten, oft auch mit Windböen, wurd's oft ungemütlich ohne Pulli …
Der Atlantik wird selten wärmer als 20 Grad, das sollten Reisende in spe auch wissen.
Allmählich besserte sich mein Befinden, aber ich fragte mich: „Bin ich noch fit genug für den Kerker?“ Ich hatte mich nämlich kurz vor meiner Abreise bei der Veranstaltung 24-Stunden-Knast angemeldet. Würde ich dafür noch fit genug sein? Nun ja, es besserte sich alles von Tag zu Tag … Natürlich fuhr ich auch einmal zum Kap hinaus; dafür langte es noch. Auf der Straße etliche Fußpilger – aber auch natürlich Autotouristen wie ich …
 
DI 23.5.: Ich packe gegen Mittag mein Gepäck ins Auto, das gratis in einer Seitenstraße gestanden hatte, meist im Schatten. Fahrt nach Norden Richtung A Coruña, das ich am Nachmittag erreiche – gerade im beginnenden Feierabendverkehr. Ich will weiter ostwärts nach Gijon oder Oviedo, aber diese Ortsnamen finde ich nirgends auf den Wegweisern, nur Richtung Stadtzentrum oder Lugo – das aber liegt viel zu weit im Landesinneren. Also Stadtzentrum. Unfreiwillig fahre ich die Strandpromenade entlang und am Herkulesturm vorbei, dem ältesten noch in Betrieb befindlichen Leuchtturm, aus spätrömischer Zeit, ca. 110 n. Chr., und nach vielleicht einer Stunde Irrungen und Wirrungen finde ich mich doch wieder auf der Autobahn nach Lugo, nach Südosten. „Madrid 470 km“ verkündet eine Tafel, während das grüne Land ringsum langsam, aber stetig anstieg. 

Interessante Stadt übrigens, Lugo: 465 Meter hoch gelegen, ist die Altstadt von einem vollständig erhaltenen römischen Mauerring umgeben, auf dessen Krone man spazierengehen kann. 

Römische Stadtmauer

 Auf dem römischen Mauerring um Lugo (Bild: WP) 

Ich stieg allerdings aus; verführt von einem Schild vor einer Ausfahrt, das Speis und Trank und Übernachtung verhieß, verließ ich die Autobahn, fand aber außer einer Handvoll Bars keine Übernachtungsmöglichkeit. Auch gut, dachte ich achselzuckend, kehrte in einer Bar mit dem halbstündlich bis stündlich wechselnden Dorfpublikum der Umgebung ein, schrieb mein übliches Quantum und bezahlte für drei Bierchen mit mehr als üppigen, wählbaren Tapas nicht mehr als sieben Euro.
Danach verzog ich mich in der Abenddämmerung in mein „Hotel Dacia“ und schlummerte bald angenehm in der grün-hügligen Umgebung. Nur donnerte ab und zu ein Laster vorbei – na ja, man kann nicht alles haben.
MI 24.5.: Eine der Bars hatte auch zum Frühstück geöffnet. Drei Milchkaffees mit je einem Stückchen Gebäck für insgesamt sechs Euros – hier ist Spanien noch das billige Urlaubsland von anno dazumal …
Wieder auf die Autobahn Richtung Lugo. Nach kurzer Zeit kam der Abzweig nach Osten, nach Oviedo – und von dort weiter über Santander nach Bilbao und San Sebastian …
Vorbei an den gewaltigen, über 2000 Meter hohen Picos de Europa, weiter ostwärts … Aber z. B. quirlige Städtchen wie Castro Urdiales, vollgestopft mit Sechs- bis Zehngeschossern, so daß man kaum parken kann, um sich umzuschauen, boten keine Unterkunft, jedenfalls keine, die ich so auf Anhieb entdecken konnte.
Also wieder auf die Autobahn – bis Zarautz. Gleich am Ortsanfang fand sich über einer gemütlichen Kneipe das „Zarautz hostel“, aber ich fragte nicht nach einem freien Bett; das Erklimmen von Doppelstockbetten fällt mir sowieso schwerer als früher … Ohnehin ist ein „Hostel“ für 50 Euro pro Nacht schon reichlich teuer ...
In der Kneipe schrieb ich mein Mindestquantum an Worten; dann schwang ich mich in meinen Wagen, der 400 Meter entfernt geparkt war – Parkplätze sind hier Mangelware – und fuhr hoch Richtung Campingplatz, der hoch über der Stadt liegt, parkte auf einem Kiesstreifen und nutzte wieder einmal das „Hotel Dacia“.
Unter mir lagen die Stadt und der blinkende Leuchtturm, und die Wellen rauschten und rauschten so vernehmlich, wie man es sich nur wünschen konnte, selbst durch die halbgeschlossenen Seitenfenster, und so ließ ich mich von den Wogen von Zarautz in den Schlaf wiegen …
DO 25.5.: Wie üblich etwas zerknautscht aufgestanden. Noch auf keiner Reise habe ich so oft im Auto geschlafen – etwa ein Dutzend Mal. 600 bis 900 Euro dürfte ich dadurch gespart haben – und mich oft etwas zerknittert gefühlt haben. 

Nach dem Frühstück bemühte ich mich, den Wellen von Zarautz wenigstens etwas näher zu kommen. Kaum freie Parkplätze. (Als ich wegfuhr, sah ich mehrere – typisch …) Der Strand von Zarautz ist wirklich ansehnlich und die Wellen auch …

Wieder zurück auf die Autobahn und über San Sebastian nach Osten. Im Bahnhofshotel von Irun, ein paar Dutzend Meter vor Frankreich, eine letzte Rast auf spanischem Boden – dann ging's rüber in la belle France. (Ca. 1068 Worte)

7.6.23

Sommerfrische am Ende der Welt - Teil III: Knöllchenfrei und Spaß dabei


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Spaziergang nahe dem Atlantikstrand von Fisterra, Mitte Januar 2015 (Bild: WP) 

In Sagres gab's reichlich Quartiere, aber keine sonderlich günstigen (die kennen die Gunst ihrer Lage sehr wohl), und einen sonderlich ansprechenden Eindruck machte der Ort auch nicht.
Also fuhr ich wieder auf der Landstraße nordwestwärts, auf der ich vorher schon gelandet war. An einer Ortsausfahrt lockte ein Schild „Steak house – Bar“. Ich parkte den Wagen 100 Meter entfernt auf einem sandigen Standstreifen und kehrte ein zum Abendessen. Die hatten sogar das sauteure und angeblich saugute japanische Wagyu-Rind auf der Karte; ich begnügte mich mit Kartoffeln, Schinken und Spiegelei plus drei Weizen und verzog mich dann – wieder einmal – ins „Hotel Dacia“.
Eine auf der Karte dick rot eingezeichnete Hauptverkehrsstraße war die, an der ich stand – aber nachts fuhr stundenlang kaum einer vorbei. Man hörte nur die Rufe des Käuzchens und das Zirpen der Grillen.
(An meinem früheren Wohnort Nehren hörte ich nur das Gurren der Tauben, erst in Rexingen das Käuzchen, ähnlich wie auch an einem Campingplatz in Brügge – und jetzt an mehreren Orten in Portugal und Galicien. Verschiedene Grillenarten haben verschiedene Sounds; an einem Sommerabendspaziergang in Wien fiel mir auf, daß an einigen Straßenecken Grillen saßen, die das mir aus Württemberg vertraute Geräusch von sich gaben – „zirpzirpzirp …“ –, an anderen Ecken aber solche, die einen schrillen Dauerton von sich gaben – "ziiirrr…" –, wahrscheinlich überlagern sich in Wien die Habitate zweier Arten, und in der Poebene oder jetzt an der Algarve gibt’s wieder einen Dauerton, aber einen anderen als in Wien. In der Karibik gibt’s einen wellenartig auf- und abschwellenden Ton …)
Morgens ein paar Schlucke aus der Colaflasche, das muntert auf, und weiter nordwärts. Die Straße ist oft holprig, die Wald- und Hügellandschaft hübsch.
Nördlich von Lissabon wird’s lebhafter, und es gibt auch wieder Autobahn. Den Badeort Nazaré mit seinen bis zu 20 Meter hohen Monsterwellen, ein Wellenreiterparadies (keine Kite-Surfer wie z. B. in Tarifa) ließ ich aus, fuhr weiter nordwärts. In Porto durch die Stadt, später tanken (immerhin schon die zweite Tanke akzeptierte Bargeld), und ich nahm mir vor, diesen Abend noch nordwärts bis über die spanische Grenze zu kommen, ins schöne Galicien.
Es wurde bergiger, die grünen Berge Galiciens grüßten, die Dämmerung brach herein, es war etwa 22 Uhr spanischer (mitteleuropäischer) Zeit, ich rollte über den Grenzfluß Minho und verließ gleich bei dem spanischen Grenzstädtchen Tui die Autobahn. Eine Ausfallstraße – nicht allzu lebhaft befahren – bot zwei breite Parkstreifen, die vor allem von Lkw genutzt wurden; ich holte mir von der nächsten Tanke noch drei verschiedene kleine Dosenbiere, und machte es mir mit meinem Schlummertrunk im „Hotel Dacia“ gemütlich, so gut es geht …
(Gerade schaue ich mir das noch mal im Internet an: Die „Ausfallstraße“ war in Wahrheit eine Einfallstraße zur Altstadt des Städtchens Tui, eines hübschen Städtchens mit gleich vier preiswerten Hotels von 32 bis 65 Euro; das billigste davon eine Pilgerherberge für die von Portugal kommenden Jakobspilger. Vielleicht sollte ich mir doch mal mobiles Internet zulegen … – Für einen längeren Aufenthalt ist das Städtchen allerdings – zumindest in meinen Augen – nicht geeignet, denn es liegt nicht am Meer, wo die Wellen rauschen und rauschen, oft noch in hunderten Metern Entfernung hörbar, sogar in einigen Kilometern manchmal, sondern nur an den Wassern des Grenzflusses Minho …)
FR 19.5.: Wieder einmal nach einigen Schlucken Cola Aufbruch. Die Sonne lachte, und es boten sich auf der Autobahn Richtung Santiago immer wieder herrliche Ausblicke auf blaue Buchten und Fjorde, aber der oft hektische Verkehr ließ mir nicht viel Muße, das zu genießen.
Schließlich bog ich ab Richtung Noia, nach Westen, Richtung Muros und Fisterra, eine Strecke, die mir schon vertraut war und die ich immer wieder genießen werde: der Ausblick auf den sich weitenden Fjord, die Bläue des Meers, die (hier an manchen Stellen leider kahlen) Berge, nur kann man das als Selbstfahrer auf der kurvigen Strecke nicht so recht genießen.
Man sieht jetzt auch wieder Wanderer, Pilger, die nach Erreichung ihres Wanderziels Santiago de Compostela noch in eitler weltlicher Neugier das Ende der Welt besichtigen wollen. Ein Ende dieser Fortsetzung des Pilgerpfads bildet das Vorgebirge in Fisterra (galicisch; spanisch „Finisterre“), ein anderer Abzweig geht nach Muxia, wo nach einer Variante der Jakobslegende eine Barke mit dem Leichnam des Heiligen angespült worden sein soll.
Einbiegen auf die Halbinsel, deren südliches Ende der Leuchtturm am Kap bildet. Ein paar Kilometer, dann rolle ich durch die Straßen des 5000-Seelen-Orts Fisterra, finde in einer Seitenstraße am südlichen Ortsende einen schattigen Parkplatz, wo ich den Wagen gratis und problemlos vier Tage lang stehen lassen konnte – eine wahrhaft entspannte Lebensart, kein Gedrängel und nichts, trotz der vielen Touristen.
2016 pilgerte mein Freund, der Journalist S., zu Fuß von Tübingen nach Santiago, und mit dem Auto kutschierte ich ihn, einen Kollegen, seinen „Kurschatten“ und mich von Santiago nach Fisterra. S. hatte sich lobenswerterweise auch für den Kollegen und mich um ein Hotel bemüht, das „Ancora“.
Am anderen Tag beim Frühstück fragt der Journalistenkollege: „Ist dein Zimmer auch so … seltsam dekoriert?“ Ja, war es: Dachhimmel überm Doppelbett, schleierartige Gardine ringsum, zwei kunstvoll zusammengedrehte weiße Handtücher sahen aus wie schnäbelnde Schwäne. Im Bad weiteres romantisches … äh … Gedöns … Gezumpel … Zubehör … wie auch immer. Ein Bumshotel für Flitterwöchner. Aber nett – und billig.
Ja, sie hatten (für insgesamt unter 70 Euro) ein Zimmer für zwei Nächte mit Frühstück frei, aber erst ab übernächster Nacht. Okay, gebongt – und für die zwei Nächte bis dahin werd' ich auch noch was finden.
Ich fand's 200 Meter weiter, in einem Hotel, wo ich 2015 oder -16 auch schon mal genächtigt hatte. Im Vorfrühling. Nachts blies der Wind in Böen vom Atlantik her dermaßen, daß man sich kaum auf den Beinen halten konnte. Hier war's etwas teurer, aber gut 100 Euro für zwei Nächte mit Frühstück sind ja auch noch sehr passabel.
Ich verzog mich in eins der Hafenrestaurants und schrieb und schrieb zum Biere … Die Spanier lernen allmählich, sich beim großen „Caña“ (Faßbier) an die 0,5-Liter-Marke anzunähern. Mancherorts war sie schon erreicht …
Wieder begannen entspannte Tage des Schreibens – na ja, fast … Ein kleines Unglück trübte das Ganze etwas – doch dazu morgen, Leute! ;-) (ca. 1011 Worte) (6.6.'23) 

Bild unten: Der Atlantikstrand von Fisterra (WP) 


 

 

 

 

6.6.23

Sommerfrische am Ende der Welt - Teil II: Die letzte Bratwurst vor Amerika


 Blick von Tarifa Richtung Marokko über die Straße von Gibraltar

FR 12.5.: Vom Frühstücksraum geht der Blick über den Pool, in den noch immer oder schon wieder der Regen pladdert. Ich schlage mir den Bauch voll, packe und werde von der Rezeptionistin mit Klebeband beschenkt, mit dem ich das traurig herunterhängende Ende der Plastikstoßstange wieder anklebe. Leider ist es nicht wasserfest und muß daher immer wieder erneuert werden.

Und feucht bleibt es auf dem Weg nach Süden. Man sah auch bisher kaum Biker oder Roller – erst ab Madrid südwärts in zunehmendem Maße …

Madrid erreiche ich am frühen Nachmittag – gerade richtig für den Feierabendverkehr vor dem Wochenende. Überfüllte achtspurige Stadtautobahn und häßliche 20stöckige Wohnblocks, Straßenbahnen …

Dutzende von Kilometern ziehen sich südlich von Madrid die Gewerbegebiete hin. Von Burgos an südwärts bis Cordoba ist die Autobahn gratis, und vielleicht ist sie deshalb etwas verlotterter und löchriger als die Bezahl-Autobahnen. Sie ist die Gastarbeiter-Rennstrecke für die Marokkaner, die in Belgien und Holland leben; schon kurz nach der spanischen Grenze bei Hendaye/Irun wird den von Norden Kommenden auf Wegweisern immer mal wieder die Route Richtung Algeciras gezeigt, dem Fährhafen nach Marokko, gleich neben Gibraltar.

Als die Gewerbegebiete südlich von Madrid endlich aufhören, sehe ich links und rechts der Strecke die weite, flache, trockene, etwas öde Hochfläche Neukastiliens („neu“, weil es später von den Moslems zurückerobert wurde als der Norden), oft mit fernen Bergen am Horizont; davor endlose menschenarme Weiten, trotz der noch fast frühlingshaften Jahreszeit graubraun, steppenhaft, vertrocknet wirkend. Das ist die Landschaft, in der Don Quijote einst mit Windmühlen kämpfte. Von den heutigen „Windmühlen“ bleibt das Land weitgehend verschont. Auf windgepeitschten, einsamen Höhen drehen sich einige, und das ist auch okay so, finde ich.

Die rötlich beleuchteten Puffs am Rande der Straße scheinen Vergangenheit zu sein, aber nach wie vor gibt’s jede Menge Hotels am Straßenrand, die meisten an der „Autobahnseite“ irgendwelcher Dörfchen, leider nicht mehr für 18 bis 38 Euro, wie vor Jahren, sondern für z. B. 48 Euro.

Als ich von Madrid ein paar Dutzend Kilometer südwärts gefahren war, ließ ich mich von einer dieser Werbetafeln am Autobahnrand verführen – es war kurz vor sechs – warum nicht heute mal ein bißchen früher Schluß machen?

Ich rollte von der Autobahn weg auf den Hotelparkplatz, und zehn Minuten später bezog ich mein Zimmer. Die Bilder mit weinenden Teenagerinnen sah ich nimmer – vielleicht gibt’s die anderswo noch. Sie sollten die mater lacrimosa abbilden, also die um ihren Sohn trauernde Gottesmutter, obwohl die doch gewiß nimmer im Teenageralter war …

In der Bar ging's rustikal zu, sie war anscheinend viel vom örtlichen Publikum geprägt; Leute, die kamen und gingen – halbstündlich bis stündlich andere. Und alle warfen auf den Boden, was sie loswerden wollten: Zigarettenstummel, leere Zigarettenschachteln, Papiertaschentücher … Was hatte mich das schockiert, als ich es 2001 in einer spanischen Dorfkneipe in Numancia zum ersten Mal sah; aber jetzt ist es viel besser geworden. Alle ein, zwei Stunden kehrt jemand durch – doch bald sieht es wieder so aus wie vorher …

Heute schaffte ich sogar 1000 Worte, bis ich schließlich in Morpheus' Arme sank, wie man so schön sagt.

SA 13.5.: Weiter südwärts durch die steppenhaften Weiten Kastiliens, bis die Hochebene nach zwei, drei Stunden ein Ende hat. Andalusien beginnt.

Quer rüber nach Malaga – und auf einmal muß man doch wieder Kleckerbeiträge zahlen, will man sich nicht durch die vielen Orte und Städte der dichtbesiedelten Küste quälen, sondern sie auf der Autobahn umgehen.

Endlich ist es geschafft: Der Felsen von Gibraltar rückt ins Blickfeld und dann wieder hinaus, ich passiere Algeciras, den Fährhafen nach Marokko, und wenige Kilometer erreiche ich Tarifa, parke am Stadtrand in einer erst halbfertigen Neubaustraße und begebe mich dann in die Altstadt.

Im Januar/Februar 2001 war ich zum ersten und bislang einzigen Mal in Tarifa gewesen. Es war kein Problem gewesen, für 4000 Peseten / 40 Mark / 20 Euro ein passables Zimmer zu bekommen.

Aber nun waren wir 22 Jahre weiter, und es war Mai, nicht Januar.

Jetzt kostete ein Zimmer in der Altstadt etwas über 70 Euro (ohne Frühstück). Ich buchte vier Nächte, mußte darin einmal in ein anderes Zimmer umziehen, und „für heute auf morgen haben wir nichts. Ich sehe aber auf booking.com, daß ein Hostel in der Nähe für die bevorstehende Nacht für 80 Euro buchbar wäre.“

Ich winkte ab, verzog mich mit einem Dosenbier in mein am Stadtrand geparktes Auto und schlummerte auf dem heruntergedrehten Beifahrersitz passabel und ungestört …

SO 14.5. – MI 17.5.: Mit meinem bescheidenen Gepäck in zwei großen Einkaufstaschen spaziere ich zur Altstadt, zu meinem gebuchten Quartier. Vier geruhsame Schreib- und Spaziertage in Tarifa folgen. Fast jeden Tag kann ich 1000 Worte schreiben. Wenig überraschende Erkenntnis: Am ehesten kommt man zum Schreiben, wenn man alle anderen Beschäftigungen zurückdrängt, also möglichst wenig Zeit mit stressiger Fahrerei, Quartiersuche o. ä. verbringt.

Tarifas Lage ist herrlich. Der Blick geht hinüber nach Afrika – nur jenen berühmten Wegweiser, der nach links zum Mittelmeer und nach rechts zum Atlantik zeigt, den sah ich nimmer, denn der liegt wohl auf der vorgelagerten Insel mit dem Leuchtturm, und die ist nur noch mit Reservierung und Voranmeldung zugänglich. Es wird alles immer voller und reglementierter, und zur Hauptsaison gehen die Preise durch die Decke.

Von dem Damm, der zur Leuchtturminsel führt, blickt man westwärts auf einen Atlantikstrand und ostwärts auf einen Mittelmeerstrand.

Trinken, wenig essen, schreiben … Als ich Nichtsmartphonebesitzer in meinen Kalenderaufzeichnungen einen Fehler entdecke und das junge Personal in einem Strandlokal um die Angabe des aktuellen Datums bitte, verstehen die mich zunächst gar nicht, dachten, ich wollte irgendwas bestellen oder reservieren …

Das Hotel hat eine Dachterrasse; die Sofas stehen alle schon draußen, d. h., es ist wohl bis Herbst nicht mehr mit Regen zu rechnen.

MI 17.5.: Der Tag der Abreise ist gekommen. Ich spaziere gegen Mittag mit dem Gepäck zum Auto und fahre westwärts, Richtung Sevilla, und dann Richtung Huelva und Portugal. Dann weiter nördlich der Algarve-Küstenorte westwärts, wenn Sie verstehen, wie ich das meine ;-) Portimao, Lagos …

Dann ist die Autobahn zu Ende, ich fahre irrtümlich nordwestwärts und sehe mich dann genötigt, über schmale Holpersträßchen durch den lockeren Wald wieder südwestwärts zu fahren, bis ich den Ort Sagres erreicht habe, den wohl südwestlichsten Europas. Noch wenige Kilometer, und ich stehe vor dem Kap Sao Vicente, dem Südwestkap Europas. Es ist etwa 19 Uhr (oder 18 Uhr? Portugal hat vernünftigerweise westeuropäische Zeit – wie England und Irland), und die berühmte Imbißbude „Letzte Bratwurst vor Amerika“ ist schon am Abdampfen. Na ja, was soll's?

Ciao und gut Nacht für heut', Leut'!

(ca. 1079 Worte, 5.6.'23, 23.48 Uhr) 


 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.6.23

Sommerfrische am Ende der Welt - Teil I: 100 Arschtorpedos für die Freitagspuper


Beim Rückwärtsausparken nicht ins Hafenbecken plumpsen! Mutriku im spanischen Baskenland (Bild: Wikipedia). Etwa da, wo der weiße Van steht, stand auch meiner ... 

„Sommerfrische“ – welch schönes altmodisches Wort! Es drückte einst, so vor etwa 100 Jahren, aus, daß der Sommerurlaub an der See oder an den Bergen eine Erfrischung, ein Labsal für die Urlauber sein soll – nicht ein Streß oder eine Plage.

Seit dem Umzug im Herbst 2021 von Nehren bei Tübingen nach Horb-Rexingen stand mein Plan: Einen (Groß-)Teil des tristen Winters möchte ich statt im tristen Deutschland irgendwo an einem netten, billigen Platz im Süden verbringen, fernab von den oft nervigen deutschen Diskursen und Befindlichkeiten. Die Zeit könnte man zum Beispiel dazu nutzen, viel zu schreiben und richtig voranzukommen bei neuen Romanprojekten.

2021/22 ging's noch nicht – zu viel Coronamaßnahmen.

Herbst 22/23: „Ab nach Tarifa an der Südspitze Spaniens“ dachte ich mir. Doch die billigen Surferhostels waren für Januar und Februar schon ausgebucht. Auch mußte ich noch meine Steuererklärung machen – was sich wegen Unlust bis über Ostern hinzog.

Aber jetzt! DI 9.5.'23 ging's endlich los. Das Koe23 in Horb hatte als Tagesessen u. a. Zürcher Geschnetzeltes zu bieten (war im Nu ausverkauft), passenderweise, denn ich wollte eigentlich zunächst einen Abstecher in die Schweiz machen. Dann entschied ich mich jedoch dagegen, fuhr über den Schwarzwald nach Freiburg und auf die Autobahn Richtung Mülhausen. Wie üblich fuhr ich zu früh von der Autobahn ab, nämlich bei Beginn der Mautpflicht, statt zwei Dutzend Mautkilometer weiter direkt auf den Abzweig nach Vesoul. So kam ich in den Genuß des Feierabendverkehrs in Belfort. Hotels gab's einige, aber leider zu teuer und mit knappem Parkraum. Auch Apotheken gab's frankreichtypisch viele mit ihren grünen, fantasievoll animierten Leuchtkreuzen. An einer, die Platz zum Halten hatte, legte ich den Grundstein für mein geplantes Mitbringsel für mich und die beste Domina von allen: mindestens 100 Arschtorpedos für die Freitagspuper. Das hatte ich mir fest vorgenommen.

Endlich fand ich die Straße nach Vesoul. Immer wieder pladderte der Regen. Kein Tag ohne Schauer.

In Vesoul war der Abzweig nach Dole wegen eines Unfalls gesperrt. Also wieder in die Stadt. Das Hotel am zentralen Platz sah teuer aus, die Hotels am Stadtrand waren's sicher nicht minder. Ich parkte nahe dem zentralen Platz. In zwei Kneipen konnte ich bis zu deren Schließung um neun bzw. zehn noch die mir selbst auferlegten mindestens 500 Worte schreiben: die nicht viel längere Kurzgeschichte „100 Arschtorpedos für die Freitagspuper“

Die beste Domina von allen pflegt nämlich freitagnachmittags Gäste zu empfangen, die, frisch ins Weekend gestartet, gewindelt vor ihr erscheinen, unter ihr Aufsicht in die Windel brunzen und/oder kacken und sich dann von ihr so nach Hause schicken lassen, mit der Maßgabe „Die bleibt jetzt 24 Stunden dran – verstanden!?“ Auch ich hatte mich am Freitag vor meiner Abreise erstmals diesen Freitagspupern beigesellt („Reisevorbereitungen mit dreckiger Windel – klar!?“) …

Die französischen „Eductyl“-Zäpfchen sind doppelt so gut und ein Viertel so teuer wie die deutschen Dulcolax-Zäpfchen, na ja, fast … Grund genug, bei einer Reise durch Frankreich einen Vorrat anzulegen. Denn außerhalb Frankreichs habe ich die noch nicht gefunden. Und Apotheken gibt’s reichlich im schönen Frankreich.

Für die Nacht fuhr ich an einer Ausfallstraße auf den breiten Kiesstreifen neben der Straße und machte es mir, so gut es ging, auf dem „heruntergedrehten“ Beifahrersitz bequem, benutzte meinen dicken Schlafsack, kein Daunenschlafsack, aber fast so gut und viel billiger, als Decke und ein mitgebrachtes Kissen als Kopfkissen unter der Kopfstütze.

Leider wurde das Dösen dadurch erschwert, daß alle paar Minuten ein Vierzigtonner auf der Straße vorbeidonnerte und bei mir die Hütte wackelte. Reichlich frisch wurde es gegen Morgen auch.

MI 10.5.: Immerhin war der Abzweig Richtung Dole wieder frei. Eine weite, dünnbesiedelte, ziemlich flache grüne Landschaft empfing mich, manchmal etwas langweilig, oft aber das Auge erfrischend im Vergleich zum übervölkerten Mitteleuropa.

Und weiter Richtung Westen, Richtung Chalons-sur-Saone. Ganz flach war es jetzt. Die weitere Straße Richtung Westen war eine beliebte Mautflüchtlingsstrecke Richtung Westküste/Bordeaux, mit Schildern (sogar in deutscher Sprache) wie „nicht einschlafen“ …

Ab und zu muß man aber doch mal einen Abschnitt mit Maut durchfahren, diese Pest breitet sich überall aus. Als ich mich gerade, nach dem Gelde kramend, einer Zahlstation näherte, grätschte von rechts ein Transporter mit Anhänger vor mir rein, und in Sekundenschnelle war's um die Befestigung der Stoßstange vorne rechts geschehen, sie hing nur noch traurig, wenn auch nicht verkehrsgefährdend runter. Bevor ich den Transporter stoppen konnte, hatte er seine Maut in den Automaten geworfen und war verschwunden.

Guérét ist ein freundliches Städtchen etwa in der Mitte der Strecke Rhonetal-Bordeaux, ein beliebter Zwischenhalt. Zwei Hotels am Stadtrand sind teuer, über 80 Euro, eins liegt mit 55 Euro unter meiner Schmerzgrenze, ist aber vollautormatisch: Check-In mit der Kreditkarte – die ich jetzt wieder habe, aber zu Hause gelassen hatte; außerdem zwei Kilometer von den Kneipen entfernt. Dicht bei denen liegt ein Hotel für rund 65 Euro – oder soll ich sagen: „lag“? Alles zu inzwischen. Immerhin hat eine Bar am riesigen Marktplatz inzwischen Delirium red, das belgische Kirschbier. Und Apotheken gibt’s auch. Also die Enttäuschung mit „Delirium red“ runterspülen und wieder ans Steuer, weitere Kilometer kloppen Richtung Bordeaux … So spät ist es ja noch nicht …

Nördlich von Angouleme fahre ich von der (Gratis-)Autobahn ab, weil ein Schild eine Übernachtungsmöglichkeit verheißen hatte, die ich aber nicht finden konnte. Immerhin gab's in dem hübschen alten Dörfchen eine Kneipe, die noch bis 9 aufhatte und mir außer Bierchen noch genug Zeit gab, um mein Minimalquantum von 500 Worten zu absolvieren.

Dann schloß die Kneipe, und ich fuhr mit dem Auto auf einem Sträßchen aus dem Dorf, das wohl zu einem Nachbardorf führte. Links zweigte eine breite Straße zu irgendeiner Einrichtung ab – da stellte ich mich hin und erlebte auf dem Beifahrersitz eine sehr ruhige Nacht; bis zum Morgengrauen kaum ein Auto – sofern ich das überhaupt bemerkte, denn ich schlief wie ein Stein.

DO 11.5.: Ein Zug aus der Colaflasche, und weiter geht’s. Über Bordeaux Richtung spanische Grenze. Allmählich sollte ich mal nachtanken, aber noch unangenehmer als bei Guérét fiel mir auf, daß immer mehr französische Tankstellen nur noch Kreditkartenbezahlung akzeptierten. Vor Bayonne wechselte ich wieder auf die Landstraße, denn erstens wird die Autobahn dann wieder gebührenpflichtig, und zweitens findet man abseits der Autobahn vielleicht eher eine preiswerte Übernachtung oder eine Tanke mit Barzahlung.

Letzteres erfüllte sich nicht, aber man sah z. B. eine Bar mit preiswerter Übernachungsmöglichkeit und belgischem Kirschbier. Bei einem solchen fragte mich der Wirt: „Vacances? Ferien?“ – „JA!!“

Es war natürlich eine Quälerei, durch die ganzen dichtgedrängten Orte der französisch-baskischen Küste zu schleichen (Bayonne, Biarritz …), aber es eröffnen sich mancherlei Ausblicke, mal aufs Meer, mal auf die Pyrenäen, die immer wieder überraschend auf einmal im blauen Dunst auftauchen – nur keine Ausblicke auf eine Bargeld-Tanke. – Mit den letzten Litern rolle ich in Hendaye über die spanische Grenze, und prompt kann ich in die nächste Bargeld-Tanke rollen, und billiger als in Frankreich ist's auch …

Zarautz steuerte ich nun an, den Badeort westlich von San Sebastian, der den längsten Sandstrand des ganzen Baskenlandes haben soll, vielleicht 200 Meter … (Die baskischen Küstenstädtchen sind, ähnlich wie bei der italienischen Riviera, so steil, hoch und eng in die Falten der steilen, grünen baskischen Berge gebaut, daß man kaum einen Fuß auf den Boden kriegt, geschweige denn einen Wagen geparkt. Die Strände sind winzig.) Aber auch im ziemlich flachen Zarautz ist alles voll, und das war schon mal so, als ich dort vor Jahren vor einem verlängerten Wochenende im Stau stand: Alles voll, die Hotels, die Straßen voller Autos und Fußgänger – mit Mühe fand ich damals unter „Agroturismo“ ein kleines Hotel in den Bergen, mit fantastischem Ausblick zum Meer. Alles ist bergiger, intensiver, schöner im spanischen Baskenland, und am liebsten würd' ich aus der Wikipedia noch ein Dutzend Fotos beifügen. Fährt man als Neuling aber staunenden Blickes (und um nicht in einen Abgrund zu plumpsen) langsam, hat man bald einheimische Drängler hinter sich …

Also raus aus Zarautz und westwärts. Auf eine dritte Nacht im Wagen hatte ich keine Lust mehr, und so ließ ich mich von dem Angebot eines schönen und schön teuren Panoramahotels hoch über dem Meer ködern: Eine Nacht mit Frühstück für einen Hunderter.

Dann noch mal ins Auto und ins nahe Mutriku, eine von diesen sehr engen, schmalen, hohen Küstenstädtchen (siehe Bild oben). In einer Hafenkneipe bei zwei, drei Bier (kleineren als in Deutschland) das Quantum von 500 Worten absolviert und dann mit Mühe zehn Minuten lang ausgeparkt und gewendet, ohne nach hinten über die Kaimauer zu plumpsen …

Zurück in mein Luxushotel, wo man die Türen mit seinem Fingerabdruck öffnet – im Prinzip wenigstens. Bei mir funktioniert's kaum einmal, ich muß immer Hilfe rufen.

Herrlich der Blick über den kleinen Pool und, tief darunter, die Biskaya – und über alles peitschte mal wieder ein Regenschauer. Wenn das im Winter noch stürmischer ist, und das ist wahrscheinlich – Winterbilder von Zarautz zeigen die umliegenden Hügel im Schnee, Strand und Stadt bleiben gerade noch verschont –, sollte man für das Winterquartier zum Schreiben doch lieber was Südlicheres suchen …)

Gut' Nacht für heut, Leut'! (ca. 1450 Worte)

Aber hier noch ein Betthupferl: Strand an der Grenze von Mutriku zu Ondarroa: 

 

Im Schlafanzug durchs Weltall - im seidenen Morgenrock in den Nahkampf?

Wußten Sie schon, daß die Mannen in "Raumschiff Enterprise" Schlafanzüge trugen? Wenn man es weiß, sieht man es auch ... Wenn Schl...