Samstag, 13.10.2012:
Frühstück beim Bäcker an der Ecke, dann Fahrt mit dem Auto zum Bahnhof Nehren. Ich hatte ja nicht nur meine Sporttasche mit dem Nötigsten für 3 Übernachtungen dabei, sondern auch eine ziemlich schwere Tasche mit Büchern für eine Lesung am Sonntag, die mußte ich nicht unbedingt einen Kilometer weit von meinem Haus bis zum Bahnhof schleppen.
8:16 Uhr Bummelzug nach Tübingen. Eilzug nach Stuttgart. Die Fahrkarte für 64,- € (hin und zurück) hatte ich im Internet gebucht. Weiter mit dem Eilzug nach Stuttgart. Auf dem Bahnsteig dort fiel mir siedendheiß ein, daß ich meinen Jugendherbergsausweis zu Hause vergessen hatte. Würde man mich in Frankfurt auch ohne Ausweis in die Juhe lassen? Vielleicht ja, vielleicht auch nein - und dann wäre ich ohne Quartier; auch das Auto als »Notquartier« hätte ich dann nicht ...
Die Zeit wurde knapp. Zu allem Überfluß war auch noch Gleis 11, wo mein Schnellzug nach Frankfurt abfahren sollte, eine einzige Baustelle, und aus dem Lautsprecher blökte es: »Der Zug Nr. ... nach Frankfurt fährt [wie einige andere] Stuttgart Hauptbahnhof heute nicht an - fahren Sie bitte mit dem Zug Nr. ... nach Vaihingen (Enz) und steigen Sie dort um.«
Jetzt reicht's, dachte ich und verließ den Bahnhof, warf mich in ein Taxi und ließ mich für teure 95 Euro erst zu mir (Jugendherbergsausweis!) und dann zum Nehrener Bahnhof bringen, wo ich mich ins Auto warf und nach rund 3 Stunden Frankfurt erreicht hatte.
So hatte ich noch Zeit für Gulasch mit Knödeln in einem Messerestaurant bis zu meiner Verabredung mit einer Autorin in spe. Eine Stunde sprachen wir. Ob was aus dem Buchprojekt werden wird? Wer weiß ...
Anschließend Bummel durch die anderen Hallen, Lesen der Messe-FAZ: 60 % aller deutschsprachigen Ebooks seien illegale Downloads, so hieß es (wie schon letztes Jahr). An die wirklich dicken Fische von illegalen Download-Plattformen, die etwa in Belize oder sonstigen exotischen Ländern säßen, komme man leider nicht heran. Üble Perspektiven!
Verleger Bittermann war mal wieder für eine zynische Satire gut: Er beschrieb, wie er ein Privatquartier während der Messe nicht finden konnte und anschließend als versoffener Penner im Park landete ...
18:30 Uhr. Schluß für heute. Zurück zum Auto. Das Parkhaus Rebstock ist so groß, daß es auf einem Parkdeck sogar einen Würstelbrater und -verkäufer gibt, damit man sich stärken kann für den weiten Weg zum Auto.
Rein ins Auto, am Hauptbahnhof vorbei nach Süden über den Main, ostwärts das Mainsüdufer entlang. Ich passierte die Juhe. So, jetzt nur noch unter der Bahnlinie durch und dann in diese von Kleinbetrieben und Schrebergärten gesäumte Nebenstraße, in der man gratis parken kann ...
Aber Pustekuchen: Wegen einer Baustelle an der S-Bahn-Unterführung war hier alles zu, von beiden Seiten, selbst Fußgänger wurden nicht durchgelassen, so groß war die Gefahr, daß einem etwas auf den Kopf fiel. Vermutlich mußten diese Arbeiten am Wochenende erledigt werden, damit Montag wieder alles frei war (war es auch).
So mußte ich mir mühsam mit viel Herumgekurve einen anderen Parkplatz suchen und fand ihn auch einige hundert Meter entfernt nahe der S-Bahn-Station Mühlberg.
Gepäck zur Juhe schleifen, einchecken, hoch in den dritten Stock: Zwei der vier Betten im Zimmer waren schon belegt, das dritte eigentlich auch, aber dessen »Inhaber« verbrachte die Nacht anderswo und tauchte erst am anderen Morgen auf.
Rein ins Sachsenhäuser Getümmel: Der »Struwwelpeter« ist so voll - keine Chance. Also ab in die deutsch-russische Grillstube, die jetzt eine deutsch-griechische Grillstube ist, aber allemal gut für ein großes, saftiges Steak. Anschließend noch ein bißchen trinken in einer kleinen Kneipe, nein, nicht im (proppenvollen) »Erdnüßle«.
Mein Zimmer in der Juhe war nach Norden raus: Ließ man das Fenster auf, war es zu laut, ließ man es zu, wurde es sehr stickig im Raum. Ich hatte natürlich eins der Oberbetten, die unten waren schon belegt. Also jedesmal rauf- und runterturnen, wenn man mal austreten mußte nach dem vielen Bier ...
Sonntag, 14.10.2012:
Morgens um 7 lief mir im Frühstücksraum der Juhe eine Angestellte von Klöpfer & Meyer über den Weg. Anschließend noch mal eine gemütliche Runde weiterschlafen. Um 10 mit der U-Bahn ab »Römer« drei Stationen weit bis zum Messeturm - das wäre auch 2009 schon kürzer gewesen als die S-Bahn, 10 Minuten hätte man bestimmt gespart.
Reichlich »Cosplayer« auf dem Messegelände, da fiel ich mit meiner Melone und meinem T-Shirt mit Frackaufdruck gar nicht besonders auf.
Boris Cellar traf ich, den Autor von »Sklavenjäger«; später lief mir Bernd Zeun, der SM-Kleinverleger, über den Weg, der nach meinem Stand suchte und ihn natürlich nicht mehr fand. Bei einem Kaffee erzählte er mir, daß er auch Marathons gelaufen sei, sogar mit einer bewundernswerten Bestzeit von 2:34 - und dennoch nicht zufrieden, weil er sich eine Zeit unter 2:30 gewünscht hatte. Radtouren von 200 Kilometern, das gehe noch, so sagte er, und darüber wolle er verstärkt Bücher publizieren, nicht mehr über SM.
Uli Bendrick tauchte mit einem Bekannten auf, und wir saßen in einem Stand, der von seinen Inhabern schon vorzeitig verlassen worden war, tranken Kaffee und unterhielten uns.
Ein Bummel noch durch Halle 8, wo laut Bernd Zeun ein für die englischsprachige Welt interessanter »distributor« sei, aber der war schon am Zusammenpacken, so wie nicht wenige in dieser Halle. Manche ließen einfach ihre Bücher zurück mit dem Vermerk »free books«. »EuroHorror« stand an einem Stand zu lesen - doch nicht die Währungskrise war damit gemeint, sondern eine Sammlung europäischer Horrorgeschichten.
Für mich wurde es Zeit: Ich ging zum City-Ausgang, rein in die U-Bahn (wo ich als Kuriosität noch mal fotografiert wurde von einem Messebesucher), raus aus der U-Bahn am Römer, Spaziergang im Nieselregen (die Bücher in der Tasche mühsam mit den Armen schützend) zur Jerome-Bar, einem hübschen Kellergewölbe, in dem man auch SM-Parties veranstalten könnte.
Am Donnerstag hatte hier der linke SMer Leander Sukov seine Veranstaltung »Literatur und Eierlikör« veranstaltet, als ich mit S. bereits auf dem Heimweg war, jetzt veranstaltete mein Autor Gerwalt zum Messeausklang eine Lesung, die zwar nicht sonderlich stark besucht war, aber dennoch schön.
Früh machte die Bar zu (nach einem Veranstaltungsmarathon mit viel zu wenig Schlaf für die Barbetreiber), und ich ging noch in den (diesmal halbleeren) »Struwwelpeter«, Schäufele mit Sauerkraut essen und dann noch in die »Bierstubb«, wo ein kleines 0,2-Liter-Bier nur 1,30 Euro kostet.
In meinem Zimmer hatten inzwischen zwei ältere Chinesen den Platz meiner Mitbewohner von gestern eingenommen. Ich begann mehr und mehr mit dem bayrischen Modell zu liebäugeln: Keiner über 27 darf in die Jugendherberge, damit das Gastgewerbe nicht geschädigt wird - und weil eine Jugendherberge kein Altersheim ist. Ich nahm mir vor, meine Mitgliedschaft im Jugendherbergswerk zu kündigen - halbwegs preiswerte Einzelzimmer werden sich ja wohl noch finden lassen, und dann ist Schluß mit diesem Geschnarche und Gefurze (außer es kommt von mir ;-).*
Montag, 15.10.2012:
»Bundesschuldenverwaltung« hieß sie einst realistisch und saß in Bad Homburg, »Bundesfinanzagentur« hieß sie jetzt und war in Frankfurts Norden ansässig. Dort konnte man seine »Bundesschätzchen« gebührenfrei deponieren. Wegen neuer Geldwäschevorschriften hätte ich allerdings eine Ausweiskopie an die schicken müssen, was ich unterlassen hatte. So würde man mein Konto mit dem Auslaufen der letzten dort von mir gehaltenen Bundesschatzbriefe 2013 auslaufen lassen, hatte man mir mitgeteilt. Eigentlich wäre es also nicht nötig gewesen, dort hinzufahren, aber ich wollte es interessehalber dennoch tun, meinen Ausweis vorzeigen und dann pro forma kündigen.
Fahrt mit der U-Bahn nach Norden. Aha, auch die U-Bahn verläuft hier überirdisch - und sie überquert sogar die Autobahn. Hoppla, da bin ich wohl eine Station zu weit gefahren! Zurück. Aussteigen an einer Behelfshaltestelle. Bauarbeiten. Laut Aushang würde heute abend sogar gar nichts mehr gehen auf dieser Linie.
Graues Wetter, graue, öde Bürogegend. »Der Publikumsverkehr wird sowieso 2013 eingestellt«, sagte mir der Angestellte der »Finanzagentur«. Klar, »Bundesschätzchen« gibt's bald nimmer. Alles umsonst: Das Ausweisgedöns wie meine Kündigung.
Mit der U-Bahn zurück und weiter bis in die Südstadt. Noch einmal richtig sattessen und dann ins Auto. Den Wegweisern zur Autobahn folgen - aber soll ich Richtung Würzburg oder Richtung Wiesbaden auf die A 3 einbiegen? Ich fuhr (unabsichtlich) einen Bogen über Rüsselsheim, bis ich endlich auf der Rheintalautobahn A 5 heimwärts war ...
*Bayern ist aber auch nicht mehr das, was es mal war: Zwar werden Juhe-Betten immer noch vorrangig an Jüngere vermittelt, aber seit 2005 dürfen auch Ältere in die Juhes ...
Neuerscheinungen aus dem Marterpfahl Verlag, Aktuelles, Politik - die Chronik des laufenden Wahnsinns ... - Der Marterpfahl Verlag ist seit der Jahresmitte 2024 Geschichte, den »aktuellen Wahnsinn« gibt es noch (leider), und es wird auch in Zukunft als freiberufliche Tätigkeit gelegentlich Neuerscheinungen geben, unter was für einem Label auch immer :-)
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