Das SCHWÄBISCHE TAGBLATT, unsere Tübinger Lokalzeitung, brachte letzten Samstag wieder einen Artikel »Vom Lager in den Container« über die erschröckliche Wohnungsnot Tübinger Studenten, die z. T. von einem Notaufnahmelager in einen Notaufnahme-Container ziehen müßten, sich aber (das mußten die Zeitungsleute in einem Kommentar zugestehen) oft zu fein dazu seien, in den Dörfern der Umgebung nach billigeren Zimmern zu suchen.
Dieser Artikel veranlaßte mich zu folgendem (gestern abgeschickten) Leserbrief:
Betrifft: Artikel »Vom Lager in den Container« plus »Übrigens« von Sa 6.10.12
»2000 Studenten mehr, doppelter Abiturjahrgang – warum soll ich den Studenten und mir nicht etwas Gutes tun und nach einer jahrelangen Pause und einer Teilrenovierung des Hauses wieder zwei Zimmer vermieten?« So dachte ich vor Monaten.
2002 hatte es ja auch sofort geklappt; die Mieter störten sich nicht mal am aggressiven Hund meiner Tante, was ich ihnen hoch anrechnete. Nur einer Muslima mit Kopftuch, bewacht von einem mißtrauischen Bruder, war mein efeuumranktes Haus damals schon unheimlich …
Jetzt haben wir 2012; Tante, Oma und Hund sind nicht mehr. Dafür ist die Studentenschaft zu 80 Prozent weiblich, so scheint's mir. Scheue weibliche Erstsemester, bewacht von ihren Müttern, und wenn ich erwähne, daß ich hier alleine hause, dann bekommt das Gespräch schon einen Knacks ins Ängstliche. »Wir melden uns wieder« ist dann das Letzte, was ich höre. Für immer. Vielleicht haben sie ja mit ihren smarten Fernsprechern meinen Hauptberuf gegoogelt, und jetzt fürchten Sie, ich wolle sie flugs in Ketten legen – und dabei will ich ihnen doch nur 140 bzw. 120 € monatlich aus dem Kreuz leiern, warm, versteht sich.
Ganz andere Sorgen hatte der Diplomand, der schließlich doch einzog: »Keine Rolläden? Nur dunkle Vorhänge? Wird da nicht ein Schimmer von Straßenlampenlicht meinen Schlaf stören? Und kommen vom Efeu bestimmt keine Spinnen ins Haus und mir zu nahe?« Diese Furcht ließ ihn die halbe erste Nacht kein Auge zutun, klagte er am Morgen. (Im oberen Bad fand ich anderntags ein fettes Prachtexemplar von Spinne, die wäre ein würdiges Abschiedsgeschenk für ihn gewesen. Ich schlafe derzeit ganz ohne Vorhänge, damit meine Studentenzimmer welche haben. Mit Spinnen hatte ich 30 Jahre nie Probleme, allenfalls mit lästig heransirrenden Mücken, wenn man gerade am Einschlafen ist. Selbst Fledermäuse in den Zimmern sind ausgesprochen selten.)
Das Sensibelchen zog einen Tag später wieder aus, trotz unterschriebenem Mietvertrag, unter Assistenz seines Vaters. Der sagte mir: »Wenn Sie Ihre Website und Ihr Blog unter Ihrem Klarnamen führen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Sie Schwierigkeiten bei der Zimmervermietung haben.«
So? Mir wäre es früher nicht in den Sinn gekommen, meine Zimmerwirtin zu googeln, wenn's das schon gegeben hätte, und wäre sie Beate Schmuse höchstpersönlich gewesen, hätt's mich auch nicht gestört.
Aber so ist sie, die Generation Handy: tratschsüchtig und unverbindlich. Traf man früher feste Verabredungen (»Um acht im Ochsen!«), so wird jetzt endlos hin- und hertelefoniert, besichtigte man früher ein Zimmer und sagte spontan zu oder ab (und blieb dann auch dabei), so zählten jetzt selbst die zwei von Studentinnen unterschriebenen Mietverträge nichts mehr. Dabei ließ ich für eine von ihnen sogar den Schlüsseldienst kommen – als nämlich spätabends das alte Haustürschloß von außen blockierte und auf der Stelle repariert werden mußte, wollte ich meine Kurzreise zum Berlin-Marathon nicht abblasen und sicherstellen, daß meine (für mich telefonisch unerreichbare) Mieterin in meiner Abwesenheit mit ihrem Schlüssel auch wirklich reinkommen würde und einziehen könnte.
Die 150 € hätte ich mir sparen können, denn tags darauf rief mich ihre Mutter an: Ihr Töchterlein sei jetzt doch noch im Tübinger Wohnheim untergekommen.
Das war auch die offizielle Begründung der anderen Mieterin, einer schwarzen Medizinstudentin, für ihren Rückzieher. Verträge? Mit denen kann ich mir jetzt meinen Hintern polieren …
Der vorerst letzte Zimmerbewerber war ein griechischer Sportstudent, der den Mietpreis noch weiter runterhandeln wollte und einen Flunsch zog, weil es elf Gehminuten zum Nehrener Bahnhof und von dort zwölf Zugminuten nach Tübingen sind.
So, und nun mag ich nicht mehr. Lieber laß ich meine Buden leerstehen, als weiter diesen Zirkus über mich ergehen lassen und obendrein Zeitungsartikel über die angebliche studentische Wohnungsnot lesen zu müssen. Wer unbedingt zu doppelter Miete in die Kernstadt drängt, um ja nichts vom »studentischen Leben« (das auch nicht umsonst ist) zu verpassen, bei dem kann die Not nicht allzu groß sein.
Muffig rieche es auch im Zimmer, befand das Sensibelchen, das nicht schlafen konnte (ohne Kopfkissen könnte ich auch nicht schlafen, das hatte er gleich zurückgegeben - und jetzt find ich's nimmer, nur noch den Bezug). Jaaa, manch einer empfand mein am Busen der Natur liegendes Haus schon immer als eine grüne Hölle ...
Andere verglichen mein Fertighaus Bj. 1975 mit einem »alten Herrenhaus«. Nun ja ... Jedenfalls scheinen es die meisten ZimmerbewerberInnen eher als ein furchteinflößendes Gruselschloß empfunden zu haben ...
1 Kommentar:
Na ja, eine archaische Nuance ist in der Bezeichnung nicht von der Hand zu weisen. Und wenn dann lateinisch bruchstückhafte Bildung als gefährliches Halbwissen in potentiellen MieterInnen schlummert und "nomen est omen" vermutet wird, dann mag so manche Mutter ihr Töchterlein flugs wieder bei der Hand nehmen ...
Liebe Grüße!
www.human-star.blog.de
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