30.6.10

rororo ist der König!
Revolution am 17. Juni - vor 60 Jahren ...

Es geschah am 17. Juni 1950. Auf den Tag genau drei Jahre später würden die Arbeiter in Ostberlin auf die Straße gehen, am 17. Juni 1950 hingegen machte der Rowohlt Verlag Revolution - die ersten vier »rororo«-Taschenbuchtitel kamen auf den Markt.



Nach dem Krieg hatte Rowohlt zunächst (für eine Reichsmark) die »Rowohlts Rotations-Romane« unters Volk gebracht, auf billigem, schlechtem Zeitungspapier, im Rotationsdruck, im Zeitungs-Großformat. Dann sah sein Partner Ledig in den USA die dort populären Taschenbücher, und die Idee war geboren, so etwas auch in Deutschland einzuführen.

Mehr als den Stundenlohn eines Arbeiters sollte so ein Buch nicht kosten - 1,50 DM pro Band. Eine Startauflage von 50.000 Stück pro Band machten ihn möglich. Der Druck war oft winzig klein, das Papier mies - immer noch Zeitungspapier und Rotationsdruck, nur nicht mehr das große Format; ein leinener Buchrücken sollte die Gediegenheit fest gebundener Bücher vortäuschen. (1961 konnte man darauf verzichten: Das Taschenbuch hatte sich hierzulande durchgesetzt, war akzeptiert).

Die Resonanz des Publikums war sehr positiv: Schon 1951 wurde das zweimillionste Taschenbuch gedruckt. Zur Feier des Jubiläums ließ sich der Verlag etwas Besonderes einfallen: Bei 50 Exemplaren von Edgar Maass' Titel »Der Traum Philipps II.« war an einer Stelle das Wort »König« durch »rororo« ersetzt worden. Wer ein solches Exemplar besaß, wurde lebenslang mit den rororo-Neuerscheinungen beliefert.

Leider sind die Namen der damaligen Gewinner nicht mehr überliefert - das Rowohlt-Archiv brannte 1970 komplett aus. Eine schöne Geschichte ist es dennoch ...

Um die rororo-Preise billig zu halten, schaltete Rowohlt auch Reklame in seinen Taschenbüchern - für Pfandbriefe und Parfüm, für Zigaretten und Benzin. Manch Interessantes erfuhr man dabei, denn z. B. die Pfandbrief-Reklame war auf den Inhalt des Bandes abgestimmt - in Upton Sinclairs »So macht man Dollars« erfuhr man, daß manche Dollarnoten in den 20er Jahren so großformatig waren, daß sie scherzhaft »Pferdedecken« genannt wurden, und in dem Band des Algerienfranzosen Albert Camus »Die Pest« hieß es: »War Algerien einst ein exotisches, fernes Reiseziel, so erfahren es heute immer mehr deutsche Touristen mit der NSU Quickly«, einem populären 1,4-PS-Moped. Das waren noch Zeiten: Hartgesottene Touristen und friedliches, bereisbares Algerien ... (Auch das Archiv von NSU existiert übrigens nimmer: Es verschwand nicht durch Feuer, sondern durch mehrfaches Hochwasser der Sulm). Gottfried Benn sagte über die ersten rororo-Taschenbücher: »Das mit der Zigarettenreklame im Buch finde ich nicht schlimm, vielmehr sehr modern. Was die deutsche Innerlichkeit dazu sagt, ist mittlerweile völlig gleichgültig, die will ihren Schlafrock und ihre Ruhe haben und ihre Kinder dußlig halten ...« Und heute wäre »Zigarettenreklame« shocking. O tempora, o mores.

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