14.10.06

TÜ-SM 247

Leuchtend rot war er außen, innen elegant hellgrau und mattschwarz, und er kostete alles in allem rund 6180 DM - unser neuer Käfer. 1972 war das. Der Kaufvertrag liegt noch jetzt in meiner Schublade herum. Vier Netto-Monatsgehälter mußte meine Mutter, eine junge Studienrätin, aufwenden, um den Käfer bezahlen zu können.

Zwei Jahre später erschien der allererste VW Golf. Sicher ein moderneres Auto als der Käfer, aber doch auch nur eine kleine, spartanisch ausgestattete, rostanfällige und alles andere als schöne Blechkiste. »Und nun zum Preis«, kam die FAZ in einem ersten Fahrbericht auf den Punkt: »Bitte nicht erschrecken - Autos sind in den letzten Jahren sehr teuer geworden.« Und dann kam der erschröckliche Preis: 9990 DM. Aus heutiger Sicht lächerlich, klar - aber verglichen mit dem 72er Käfer eine Preissteigerung um rund 60 %. - Rund 8500 DM hatte 1972 der erste Audi 80 gekostet. Das sei ja ganz schön teuer, urteilte damals die ADAC Motorwelt, aber angesichts der gebotenen guten Allroundeigenschaften noch vertretbar. Hätte man den Leuten gesagt, daß der gleiche Wagen 20 Jahre später, 1992, fast das Vierfache kosten würde (32.000 Mark) - jeder hätte sich an die Stirn getippt.

Ähnlich der Audi 100. Noch 1977 war er für rund 15.000 Mark erhältlich, 20 Jahre später waren schon an die 50.000 Mark zu berappen, mehr als das Dreifache - obwohl Löhne und Gehälter in diesem Zeitraum nur um das 1,9fache gestiegen waren. Und so weiter und so fort, die erwähnten Modelle stehen hier nur pars pro toto. Und es sind gar nicht mal nur die Automobilkonzerne dran schuld. Wenn mittlerweile - nach Auskunft meines Daihatsu-Verkäufers - sogar Kleinwagenkäufer einen Flunsch ziehen, wenn ihr neues Auto keine Klimaanlage hat, dann braucht man sich über die galoppierenden Preise nicht zu wundern. (Und dabei manifestiert sich der Klimawandel in Deutschland doch lediglich darin, daß wir jetzt statt drei Dutzend heißen Tagen fünf Dutzend heiße Tage im Jahr haben; die anderen 300 Tage bleiben kalt bis mäßig warm).

Ab und zu prangert ein Zeitungsartikel die Tatsache an, daß die Autopreise in den letzten Jahrzehnten stets den Löhnen und Gehältern davoneilten - aber dann geht alles weiter wie zuvor. Der von mir bislang gefahrene Daihatsu Cuore bildet da noch eine lobenswerte Ausnahme: 1981 kam er zum Preis von rund 8200 DM auf den deutschen Markt - 3,20 m kurz, Zweizylindermotor mit 28 PS, Vierganggetriebe. Der von mir im Mai 2000 gekaufte Cuore brachte es auf 55 PS, hatte Airbags, Seitenaufprallschutz, geregelten Katalysator, Fünfganggetriebe - und kostete 14.000 DM. Das hält sich noch in etwa im Rahmen der Lohnentwicklung. Es geht also - der technische Fortschritt muß nicht zwangsläufig bedeuten, daß der Wagen unerschwinglich wird. Bei anderen Geräten (PCs, Waschmaschinen) geht es ja auch, daß die neuen Modelle besser ausgestattet und dennoch - im Vergleich zur Lohnentwicklung - günstiger sind. - Das ist nämlich das Standardargument zur Verteidigung der hohen Preise: »Die heutigen Autos sind doch viel besser ausgestattet als die früher!« Na und? Was nützt mir das, wenn ich's mir nimmer leisten kann? Der Käfer-Nachfolger Golf V jedenfalls kostete bei seiner Vorstellung 2003 in der Grundausführung satte 15.220 Euro. Um sich den mit vier Netto-Monatsgehältern leisten zu können, bräuchte man ein Netto-Monatsgehalt von rund 3800 Euro bzw. rund 7600 DM - wer hat das schon? Ein junger Studienrat gewiß nicht. Der müßte heutzutage - im Gegensatz zu 1972 - nicht mehr nur vier, sondern eher sechs bis acht Netto-Monatsgehälter opfern. Und das alles nur für einen fahrbaren Untersatz, der einen von A nach B bringen soll.

Doch nicht alle sind vom Trend vereinnahmt, nein, ein gallisches Dorf leistet tapfer Widerstand - ein Renault-Chef plante vor Jahren, einen Mittelklassewagen für 5000 Euro zu bauen. Heraus kam der Dacia Logan, in Rumänien - und demnächst auch an anderen Billiglohn-Standorten - gebaut. (Dacia ist eine Renault-Tochter). 4,25 m lang, also locker 85 cm länger als mein Daihatsu, 75 PS, ein Kofferraum wie eine Lagerhalle, also genau richtig für Bücherpakete, alles dran, was man zum Fahren braucht, darunter in der Version für Westeuropa auch Airbags und ABS, was den Wagen auf gut 7000 Euro verteuert - na gut, sei's drum ...

Solch einen Wagen leaste ich unlängst - das Thema Steuersparen beginnt für mich an Bedeutung zu gewinnen - und holte ihn gestern, Freitag, den 13. Oktober, beim Renaulthändler ab. Gleich beim ersten Tanken fragte mich ein Ausländer, ob ich mit dem Wagen zufrieden sei. Die lebhafte Presse rund um das »Billigauto aus Rumänien« entfaltet Wirkung, und nach anfänglicher Zurückhaltung steigt offenbar das Käuferinteresse. »Den Wagen hätte ich gleich noch drei- oder viermal verkaufen können«, so der Renaulthändler über mein Exemplar. »Die kommen kaum nach mit der Lieferung und Produktion.«

Ziemlich hoch sitzt man in dem Wagen - logisch, er ist ja auch für Schwellenländer konzipiert, und weil da so viele Schwellen auf der Straße liegen ... ;-) Die Fensterkurbel geht irritierenderweise »andersrum« (gegen den Uhrzeigersinn auf, mit dem Uhrzeigersinn zu), einen Türkontaktschalter für die Innenleuchte gibt's nur an der Fahrertür (na, dann muß die Beifahrerin halt warten, bis ich sie erleuchte ;-) , der Lagerhallen-Kofferraum bleibt gleich ganz finster, aber sonst ist alles paletti. Und mein neues Kennzeichen TÜ-SM 247 ist so richtig einprägsam.

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