... ich kann gar nicht hinsehen! |
So kann man nix sehen – aber die prüden Zensoren auf Blogspot und Facebook haben auch nix zu meckern …
Stellen Sie sich vor, werter Leser, Sie seien auf einer Messe, wo die Hälfte der Besucher und ein großer Teil der Aussteller völlig bizarr gekleidet ist, mit Keuschheitsgürteln, in Lack, Leder, Latex oder schwarzer Spitze, in Ketten gelegt und an Halsband und Leine von ihrem dominanten Partner über die Messe gezogen wird und vieles mehr. Das fällt vielen schwer, die so was noch nie gesehen haben; und fotografieren darf man auf so einer Messe nicht. Ein mächtiger dicker Besucher zog eine zierliche junge Kindfrau hinter sich her, die auf ihrem T-Shirt bekannte: "I love my daddy!" So ist's recht.
Ich wollte auf dieser Messe einen Teil meiner Restbestände zu 2,- € das Stück verhökern, um nicht auch noch diese Bestände (wie so viele andere) wegwerfen zu müssen, und so fuhr ich am Donnerstag, dem 10.10.'24, ab etwa 10 Uhr mit einigen Dutzend Altbüchern gen Frankfurt.
Erst kurz vor Darmstadt fiel mir ein, daß ich wie bei einer Kurzzeit-Abwesenheit von wenigen Stunden die Wohnung nicht richtig verschlossen hatte, sondern über die Terrasse 'rausgegangen war und die Terrassentür einfach hinter mir zugeworfen hatte, ohne sie zu verschließen (geht auch gar nicht). Auch sonst hatte ich einiges vergessen, z. B. eine Bücherkiste (aber mir blieben trotzdem noch einige Dutzend) und die große Tüte mit meinem (chinesischen) Kilt und einem Pulli mit der Aufschrift „Trübsal ist nicht das einzige, was man blasen kann“. Aber so was tragen auf der Bofewo („Bondage Fetish World“) sowieso viele; da muß es eben beim bei der lindgrünen Tussihose à la Angie Merkel bleiben (Unterteil eines Hosenanzugs) und einem roten Hemd und meinem blauen Sommerhut.
Ein Navi besaß ich auch nicht und auch keinen funktionierenden Drucker am PC. So mußten einige Kartenskizzen auf Briefumschlägen genügen.
Bei gemächlicher Fahrt und nach den üblichen Staus erreichte ich nach rund vier Stunden, gegen 14 Uhr, die Ausfahrt 8 an der A 66 – Hofheim-Wallau. Einen Kilometer weiter und unter der A 3 durch, und ich war an der Robert-Bosch-Straße 5 bis 7, an den Rhein-Main-Messehallen.
Ich war froh, nicht schon am Vorabend angereist zu sein, um die Lage zu peilen – es wäre eine Übernachtung im Sturm geworden wie im Januar in Kroatien. Doch auch jetzt blieb genug Spielraum für Langeweile; während manche Fetischhersteller ganze Lastwagenladungen an Schuhkartons u. dgl. antransportierten, war der Aufbau bei mir nach ein, zwei Stunden geschehen. In Zukunft könnte ich, wenn ich diese Messe noch einmal frequentiere, am Freitagmorgen anreisen und mir so eine Übernachtung im Auto ersparen. Denn das mußte ich tun – drei Mal. Die Jugendherberge Frankfurt ist zu weit; man müßte morgens mit der S-Bahn anreisen, vielleicht sogar mit Umsteigen, und der S-Bahnhof Hofheim ist 6,6 Kilometer von der Messehalle entfernt. Die zwei, drei Hotels in fußläufiger Entfernung von der Messe waren mir zu teuer; das „zu teuer“ beginnt bei mir ab etwa 60 € pro Nacht und Nase.
In der Tat kann man auf dem heruntergedrehten Beifahrersitz recht gemütlich übernachten – nur nicht gemütlich aufs Klo gehen. Ins Gebüsch zu brunzen ist wohl eher unproblematisch – aber daß die Anwohner was dagegen haben, wenn irgendwelche dahergelaufenen Fremden einfach so irgendwo 'rumsch...n, kann sogar ich verstehen. Na, mal sehen, ob ich's mit Immodium akut bis zum nächsten Morgen aushalten kann …
Ich konnte – jedenfalls die ersten zwei (von drei) Nächte. Nach dem wenig zeitraubenden Aufbau – ein paar Dutzend Bücher und etwas Dekomaterial hinstellen, während andere halbe Boutiquen und ganze Lkw-Ladungen Schuhe ausluden und aufbauten – blieb viel Leerlauf. Ich schlenderte durchs Viertel – ein Gewerbegebiet mit etwas Wohnbevölkerung. Ums Eck lag eine Pizzeria mit Lieferservice; die hatten sogar noch „Zigeunerschnitzel“ auf der Karte. Ich bestellte mir aber Pizza Diabolo. Überall auf der Straße hörte man das laute Rauschen des Verkehrs, vor allem von der A3 Frankfurt-Köln, und mit Ausnahme weniger Nachtstunden auch das Rauschen der Jets vom Frankfurter Flughafen.
Freitag nachmittag ging's los, und ich dachte schon bald, die Bücher würden mir vorzeitig ausgehen: Nach ca. drei Stunden hatte ich schon ein Drittel der Bücher verkauft. Doch am zweiten Tag – eigentlich der Hauptkampftag der Messe, elf Stunden, ein echter Marathon – ließ es schon deutlich nach, und am Sonntag ging's noch mal etwas nach oben, so daß von Dutzenden nur noch ZWEI Bücher übrig blieben bei Messeschluß. Rund 200 Euro mehr als vorher raschelten und klimperten in dem großen roten Wechselgeldbeutel, den mir die Sparkasse zu zehn Einern und Zweiern gegeben hatte. Somit waren die Kosten dieses Messeausflugs wenigstens zu zwei Dritteln gedeckt; kostendeckende Messebesuche scheint es nur für wenige Aussteller zu geben. (236 € kostete mein Ministand, und mit Spritkosten dürften 300 € erreicht sein.) – Die Passion in Hamburg-Schnelsen im November '24 habe ich wieder abgesagt – doppelt so weit und doppelt so teuer wie die Bofewo. (Bei denen sah ich 2017 auch am Schluß, wie sich zwei Aussteller zuraunten: "Na, auch nix verkauft?" - Bei mir kam wenigstens das Spritgeld halbwegs rein; unterkommen tat ich gratis bei einer Mitausstellerin, die in einem Dörfchen an der Ex-Zonengrenze wohnte - mit 10 Einwohnern pro Quadratkilometer, fast wie in Skandinavien.)
Nach einer nur mäßig erholsamen Nacht im „Hotel Dacia“ begann am Samstag, wie gesagt, der Hauptkampftag der Messe. Elf Stunden. Die Menschenmassen, z. T. fetischmäßig gekleidet, schoben sich durch die Gänge wie am Schluß-Wochenende auf der Frankfurter Buchmesse; und doch hörte ich einen Aussteller gegen Abend der Messeleitung zugeraunt: „Heute habe ich nicht mal 1000 Euro verdient.“ Morgens hatte er seine Mädels ermahnt: „Auf in den Kampf! Heute müssen wir richtig Geld verdienen!“
Ein alter Bekannter (von 2001), Hersteller von Metallspielzeug, erzählte mir, er habe seinen Plan, allein vom „Spielzeug“ zu leben, aufgeben müssen. Das bringe zu wenig. Er mußte seinen ursprünglichen Job als Techniker weiterhin ausüben; schon wegen der Ausbildungskosten seiner zwei halbwüchsigen Kinder sei dies nötig – und dabei habe ihm der Arzt gesagt, daß er auch nicht mehr ewig leben werde … *seufz* „Ein braves Pferd stirbt in den Sielen“, sagte Bismarck mal. Das Leben ist ein ewiges Rackern und Kämpfen, und am Schluß verlieren wir alle … – Eine Ex-Autorin, zutiefst devot nach dem „Die-Frauen-von-Stepford“-Modell, bürgerlich-konservativ, mußte erleben, wie einer ihrer Söhne zum Schatzmeister der örtlichen Grünen wurde … – Eine andere schrieb mir: „Deutschland macht keinen Spaß mehr.“ – Eine weitere schrieb mir: „Eigentlich plane ich eine überarbeitete Neuauflage meines Buches und einen Folgeband, der schon halbfertig in der Schublade liegt. Doch ob es dazu kommt, hängt von der weiteren Entwicklung in unserem einstmals schönen Lande ab. Die zeigt leider auf langes Siechtum, Verkauf des Tafelsilbers ins Ausland und Übernahme durch fremde Kulturen, die ihre Vorboten schon geschickt haben. Oswald Spengler hätte ein munteres Grinsen im Gesicht, wenn er das noch sehen könnte.“ – Andere wiederum empfanden das als rechten Unsinn und trennten sich von mir, schon 2021. Der Riß der Gesinnungen geht also nicht nur durch die USA, Deutschland und andere westliche Länder, sondern auch durch den Marterpfahl und seinen Anhang …
22 Uhr. Endlich Feierabend! Ich hatte meinen Kombi schon am Morgen auf einen rund 150 Meter entfernten Kiesplatz, einen Ergänzungsparkplatz zum normalen Messeparkplatz, gestellt, der weniger von Flutlichtern „geflutet“ wurde und auch sonst ruhiger war, sofern das in dieser lärmigen Umgebung überhaupt möglich war.
Der Sonntag war dann – nach dem Frühstücksbüfett – nur noch eine Art Ausklang. Viel „Stinopublikum“, der Kleidung nach zu urteilen, das einfach mal so „Perverse gucken“ wollte. Ein Mitaussteller: „Am schlimmsten sind die Achtzehn-, Neunzehnjährigen. Alles angrabbeln, nix kaufen, immer sooo ein Rohr in der Hose haben – aber hinterher ablästern, wie pervers das doch alles sei.“ Ja, amen.
Was mir früher nie gelang, gelang mir jetzt: Um etwa 18 Uhr packte ich die wenigen Dinge, die an meinem Ministand noch vorhanden waren, in die zwei Hocker mit Stauraum und diese auf den Rollwagen, der zuvor mit einem roten Satinbettbezug zünftig verhüllt worden war, eine Fahrt mit dem Lastenaufzug, und um 18.15 Uhr startete ich meinen Kombi.
Gegen 22 Uhr, nach knapp 80 Stunden Abwesenheit, war ich an meiner „Stammtanke“ in Horb, gut drei Kilometer von zu Hause entfernt. Ein Minister sagte mal im FAZ-Fragebogen auf die Frage nach dem größten Unglück: „Wenn kein Bier mehr im Haus ist.“ So ist es. Zwei Dosen Dominikaner-Pils gegen diesen Mangel gekauft – muß ja nicht immer das dänische „Faxe-Starköl, 1 l“ mit 10 % Alk sein (das es jetzt auch in halber Stärke und in halber Größe gibt).
Wenige Minuten später war ich daheim – die Terrassentür hatte wie üblich so schön eingerastet, daß sie wie „richtig geschlossen“ wirkte. Nur daß vor „meinem“ Haus mal wieder alles zugeparkt war, war etwas lästig …
Jetzt
muß ich noch in'n Boarischen Woid zu meiner gierigen
Verlagsauslieferung, mich ferner ein letztes Mal als Beiträger mit
der Künstlersozialkasse auseinandersetzen (alle meine Autoren, die
dort versichert sind, kriegen jetzt bestimmt 20 bis 50 Cent mehr
Monatsrente), dann wird’s Zeit für Steuerkram (endlich mal
pünktlich!) und in den ersten Monaten 2025 für die letzten (stark
pauschalisierten und bestimmt nicht üppigen)
Autorenhonorarabrechnungen. (An sich wollte ich das schon gleich auf
dem Rückweg von Frankfurt erledigen, aber das wäre zu viel auf
einmal geworden. In ca. zwei, drei Wochen kann ich auf dem Rückweg
vom „Woid“ gleich noch in der WESTERN TOWN „Pullman City“ den
„deutsch-amerikanischen Weihnachtsmarkt“ mitnehmen. Prost! (In
ca. 10 Tagen wär's das „Halloween Special“ gewesen, aber dieses
blutrünstige Gruselding wirkt auf mich eher abschreckend.)
* * * * *
Und wat nu!? Die Bofewo Spring '25 werd' ich wohl noch beschicken (denn den Frühbucherrabatt für die Leipziger Buchmesse '25 hab' ich verpaßt) und die vom Herbst '25 wohl auch – und dann im Frühjahr immer Leipzig! Abwechslung muß sein! Zumal die Jugendherberge Leipzig „gute Parkmöglichkeiten“ verheißt. Allein dieses Contra zum Zeitgeist muß positiv vermerkt werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen