2.2.10

Peinliche Politiker-Interviews (?)

Peinlich sei sie gewesen, die Vorstellung, die der angehende EU-Kommissar Oettinger unlängst gegeben habe, so lautet das einhellige Urteil. Dabei hatte unser Ex-Ministerpräsident zwei, drei Wochen zuvor bei einem anderen EU-Termin noch durch Charme, Witz und Schlagfertigkeit gepunktet - allerdings in seiner Muttersprache Deutsch, der bedeutendsten in der EU: 90 Millionen deutschen Muttersprachlern stehen allenfalls je 60 bis 70 Millionen französischer und englischer »native speaker« gegenüber (was immer man auch von der Bedeutung der genannten Sprachen außerhalb der EU halten mag). Deutsch ist neben Englisch und Französisch eine der drei Arbeitssprachen der EU - also warum nicht immer Deutsch sprechen und auf dieses Recht pochen?

Vielleicht gerade mal ein Drittel der EU-Kommissare spreche und verstehe noch Deutsch, begründete ein im Deutschlandfunk interviewter Sprachprofessor seine Ansicht, weshalb deutsche Politiker mehr Englisch lernen müßten. Ja, kein Wunder, daß sich die anderen nicht mehr ums Deutsche bemühen, wenn wir selbst schon unsere Sprache geringschätzen, sie ohne Not zugunsten des Englischen aufgeben, wenn wir das an den Tag legen, was uns einst ein prominenter englischer Kritiker bescheinigte: »linguistic submissiveness«, »sprachliche Unterwürfigkeit«.

Französischen und italienischen Politikern sind ihre oft miserablen Englischkenntnisse ja auch ziemlich wurscht, und die Spanier denken sowieso (nicht ganz zu Unrecht), daß ihre Sprache ja ebenfalls Weltsprache ist. Und die englischsprachigen Politiker bemühen sich eh nicht um eine andere Sprache; auch die englischsprachigen Naturwissenschaftler seien heutzutage »monolingual« und nähmen Veröffentlichungen in anderen Sprachen überhaupt nicht mehr wahr, geschweige denn ernst - für Akademiker, die idealerweise vielfältig gebildet sein sollten und keine Fachidioten, eigentlich eine erbärmliche Einstellung.

Schon vor Jahren gab's Klagen, daß in Brüssel zu viel Französisch gesprochen würde. So mancher deutsche Journalist hatte auf Pressekonferenzen das Nachsehen, weil er auf französisch nicht so redegewandt war wie die französischsprachigen Kollegen, und mancher deutsche Mittelständler hatte das Nachsehen, denn bis er sich die in französisch gehaltenen Ausschreibungen auseinanderklamüsert hatte, hatte sein Konkurrent aus Namur oder Clermont-Ferrand schon den Auftrag. Und heute ist anscheinend das Englische an die Stelle des Französischen getreten.

Ach ja - wann verwandelt sich Angela Merkel in eine bedrohlich handtaschenschwenkende Thatcher-Kopie, die andere EU-Partner mit dem Spruch »I mecht mei Geld z'ruck!« nervt oder mit »Hier wird fei Deitsch g'schwätzt!«? Wollte sie nicht eine schwäbische Hausfrau sein?

Wirklich peinlich sind nicht die Englischkenntnisse unserer Politiker, peinlich sind die pseudo-weltoffenen Forderungen, das Deutsche zugunsten des Englischen aufzugeben. Denn von den »Sprachkenntnissen eines Oberkellners« (so Bismarck höhnisch über das ins Ausland entsandte diplomatische Personal Preußens) wird die Politik in der Sache noch lange nicht besser.

Oettinger - zu Unrecht am Pranger? (Bild: Wikipedia)



Was ich schon ganz vergessen hatte: 2005 hatte Oettinger allen Ernstes verkündet, in Zukunft werde Englisch Deutsch selbst in Deutschland verdrängen: »2005 wurde Oettinger von der Zeitschrift ›Deutsche Sprachwelt‹ als ›Sprachsünder‹ angeprangert und 2006 vom Verein Deutsche Sprache zum ›Sprachpanscher des Jahres‹ gewählt. Anlaß waren seine Äußerungen in einem SWR-Interview im November 2005: ›Englisch wird die Arbeitssprache. Deutsch bleibt die Sprache der Familie und der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest.‹« (Wikipedia) Also leider wohl doch selbst schuld, wenn man einen (albernen) Anspruch erhebt, den man selber nicht einlösen kann ...

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