28.2.10

Mit fremdem Eigentum Millionen machen: Google
oder: Alle meckern, keiner tut was

Stellen Sie sich vor, verehrter Leser, Sie hätten ein Ferienhäuschen, das sie - immer dieser Streß im Beruf! - schon lange nicht mehr genutzt haben, ebenso ein Cabrio - und als Sie jetzt endlich einmal dazu kamen, sich beidem zu widmen, saß in dem Ferienhaus ein Unbekannter, und mit dem Cabrio gondelte auch jemand Fremdes 'rum. Und wenn Sie dann erstaunt nachfragen, was das denn solle, dieser unverschämte Übergriff, dann antwortet ihnen ein Vertreter eines milliardenschweren Großunternehmens frech, die Öffentlichkeit habe ein Recht auf die Nutzung von Ferienhaus und Cabrio, Sie sollten sich doch nicht so haben - »wir geben Ihnen auch was von den Mieteinkünften ab, die wir für Sie organisiert haben - und überhaupt: Warum haben Sie unseren Plänen nicht schriftlich widersprochen?«

Genau so was macht Google gegenwärtig mit seiner millionenfachen Einscannerei vergriffener, aber noch keinesfalls gemeinfreier Bücher. Ein milliardenschwerer Konzern ist im Begriff, mit fremder Leute Eigentum weitere Milliarden zu scheffeln, und gedankenlose, vom »Recht auf freie Information« schwafelnde Teile der Öffentlichkeit, etwa die Piratenpartei, klatschen auch noch Beifall dazu.

Die Europäer wiederum präsentieren sich angesichts dieser Unverschämtheit von Google geradezu so, wie es dem Klischee entspricht: uneinig und entschlußlos. Da wird in den Feuilletons gemeckert, da gibt es ein Rauschen im Blätterwald, aber als es neulich zur alles entscheidenden Anhörung vor einem amerikanischen Gericht kam, wer war da als einziger ausländischer Staat mit einer Abordnung zugegen, um Einwände vorzubringen?: Deutschland. Auf Initiative der der derzeitigen Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).


Die tut was: »Schnarre«*


















Auszüge aus ihrem FAZ-Interview:

Frau Ministerin, was haben Sie gegen Google?

Ich habe persönlich nichts gegen Google, aber ich habe etwas gegen Geschäftsmodelle, die sich über geltendes Recht hinwegsetzen. Google hat bei seinem Buchprojekt die Inhaber von Urheberrechten nie um Erlaubnis gefragt. Und jetzt meint Google, alle Autoren müßten von Glück reden, wenn damit vielleicht ein bißchen Geld für sie abfällt.

Was stört Sie an dem Buchvergleich?

Mich stört zunächst einmal, daß er automatisch auch deutsche Rechteinhaber erfaßt. Auch nach der letzten Fassung des Vergleichsvorschlags sind noch immer viele Deutsche nachteilig betroffen. (...) Die Lage ist doch ganz einfach: Inhaber von Urheberrechten müssen einer Verwertung ausdrücklich zustimmen, und das ist in dem Google-Vergleich nicht allgemein vorgesehen. Bücher, die nicht mehr lieferbar sind, könnte Google automatisch nutzen, es sei denn, der Rechteinhaber lehnt das explizit mit einem »Opt out« ab. Das Urheberrecht wird auf den Kopf gestellt. Das ist der völlig falsche Weg.

Wenn Google also zu einem »Opt in«-Modell wechseln würde, bei dem alle Rechteinhaber einer Verwertung zustimmen müssen, dann wären Sie für den Vergleich?

Richtig, denn damit würde der Schutz der Urheberrechte gewahrt. (...) Ich bin doch nicht grundsätzlich dagegen, daß Google eine elektronische Bibliothek aufbaut. Natürlich hätte eine solche Datenbank einen großen Nutzen.

Das Problem ist nur: Google lehnt das von Ihnen geforderte »Opt in« kategorisch ab ...

Natürlich tut Google das. Die sagen immer, das sei viel zu aufwendig. Mein Mitleid hält sich aber in Grenzen. Erst scannt Google ungefragt 7 Millionen Bücher. Und wenn sich die Rechteinhaber wehren, versucht Google, durch Vergleich eine Haftungsfreistellung für künftige Urheberrechtsverletzungen zu bekommen.

Aber Google weist ja nicht ganz zu Unrecht darauf hin, daß die Rechteinhaber oft schwer oder gar nicht zu finden sind. Würden solche Werke nach Ihrer Argumentation dann nicht grundsätzlich in jeder digitalen Bibliothek fehlen?

Nicht zwangsläufig, denn es sind auch andere Wege vorstellbar, verwaiste Werke nutzbar zu machen. Der Gesetzgeber könnte etwa vorgeben, daß man zunächst sorgfältig nach den Rechteinhabern gesucht haben muß. Wenn sie trotz der Bemühungen nicht aufzutreiben sind, wäre es denkbar, eine digitale Verwertung zu erlauben – dann aber für alle, nicht nur für Google. Das amerikanische Justizministerium sieht das genauso wie wir: Das ist eine Aufgabe für den Gesetzgeber (...)

Google bestreitet diese Exklusivität und sagt, es stehe jedem frei, einen ähnlichen Vergleich mit der Buchbranche zu schließen.

Das kann doch kein ernsthaftes Argument sein. Denn damit ruft Google andere dazu auf, Gesetze ebenfalls erst einmal zu umgehen, sich dann verklagen zu lassen und dann vielleicht im Prozeß Zugeständnisse zu machen. Das würde zu einem völligen Wildwuchs führen.

Ihr Ministerium war gerade bei einer Anhörung im zuständigen New Yorker Gericht vertreten, um die Bedenken der deutschen Regierung anzumelden. Wie war die Resonanz?

Es war uns wichtig, unsere Position vor dem Richter zu erläutern. (...) Aber auf jeden Fall hat es Anerkennung gefunden, daß wir Flagge gezeigt haben, noch dazu als einziger ausländischer Staat. Der Richter hat gesagt, daß er jetzt viel zum Nachdenken hat. (...)

Hoffen Sie darauf, daß der Richter den Google-Vergleich gänzlich ablehnt, oder sehen Sie eine Möglichkeit für einen Kompromiß?

Eine Minimallösung wäre aus meiner Sicht, daß deutsche Rechteinhaber zuverlässig aus dem Vergleich herausgenommen werden. Aber offen zugegeben: Ich würde es gutheißen, wenn der Vergleich ganz scheitert. Meiner Meinung nach sollte eine solche Initiative grundsätzlich nicht in der Hand eines privaten Unternehmens liegen, denn hier stehen Kernfragen des Urheberrechts auf dem Spiel. (...)

Sie klingen, als ob Sie Google grundsätzlich nicht über den Weg trauen.

Was das Buchprojekt betrifft, bin ich tatsächlich mißtrauisch. Was immer wir hierzu auch sagen: Es ist nicht sichtbar, daß es bei Google dafür Verständnis gibt.

+++

*Als Kohl den »großen Lauschangriff« durchsetzte, soll L.-S. weinend in ihrem Büro zusammengebrochen sein - und anschließend nahm sie ihren Hut. Die Bildzeitung titelte: »Soli bleibt, Schnarre geht«. So sind es meist die unangenehmen Dinge oder Menschen, die bleiben ...

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