So ähnlich sah mein "Knasthotelzimmer" aus - nur die Sprüche an der Wand waren andere ... |
larum löffelstiel - story dauert noch - Diese Zeile kann ich nicht löschen, wenn das Layout nicht verunglücken soll ...
SA, 3.8.: Die beste Domina von allen war sehr zufrieden. 116,5 kg zeigte die Waage statt nur knapp unter 120 kg, nachdem ich mich durch tagelanges Fasten geplagt hatte. (Am 25.3.'24 waren's 130,4 kg).
Aber jetzt mußte es mal wieder was geben. Einkauf im Lidl in Leonberg. Dann auf der A81 nordwärts. Bei gleichmäßiger Schleichfahrt mit 80 bis 100 km/h mit einem kolossal günstigen Verbrauch von rund 4,1 Litern auf 100 km (und das bei einem Benziner!) traf ich gegen ein Uhr nachts am Sonntag in jenem Industriegebiet nahe dem Travemünder Skandinavienkai an, das ich mir auf Google Maps als Gratis-Parkmöglichkeit für meine Lettland-Reise ohne Auto ausgeguckt. Aber ach: Alles war fast lückenlos zugeparkt mit polnischen Lastern, Trailern (Sattelschlepper-Aufliegern) u. a.
Nach etwas Suchen fand ich in einem ruhigen benachbarten Dörfchen eine stille Straße und unter einer Autobahnbrücke (ausgerechnet!) neben einer Sattelschlepper-Zugmaschine ein halbwegs dunkles und ruhiges Plätzchen.
Jetzt der Rest vom Lidl-Fleischkäse und rein in einen Schlummer wie ein Murmeltier …
SO 4.8.: Ins nächstgrößere Dorf; Milchkaffee und Lachsbrötchen, später Bier. Tanken: Keine 38 Liter für ca. 880 km (s. o.)
Dann wieder auf meinen Parkplatz unter der Autobahnbrücke. Spaziergang nach Süden. In einem gehobenen Dorfgasthof zwei wohlschmeckende, in Süddeutschland selten erhältliche goldbronzene „Duckstein“-Bierchen.
Am Nebentisch eine Gruppe von Schwaben; eine jüngere Frau schimpft auf die EU und die deutsche Politik (okay) und schwärmte dann von Paraguay, wo man sich in bestimmten deutschen Wohnprojekten mit seinen Kindern voll christlich selbstverwirklichen könne … Ogottogott. Im Aufstehen grüßte ich den Rest Schwabens von Tübingen und rate ihr dringend von Paraguay und von diesen Projekten ab. Sie wünscht mir trotzdem Gottes Segen.
Dann noch zum fast benachbarten Campingplatz-Restaurant. Fast ausgebucht. Die Spaghetti aglio oglio sind zwar lecker, aber mir inzwischen in ihrer Fette und Schwere mittlerweile ungewohnt und liegen mir schwer im Bauch; ich mußte dreimal die Natur düngen diese Nacht. Mein Schlaf und der Verkehr waren viel unruhiger diese Nacht. Logisch – es ist ja auch die Nacht zum Montag …
MO 5.8.: Etwas mürbe startete ich in den Tag. Und auf einmal war ich ausgesperrt. Das Knöpfchen der Fahrertür war unten, der Schlüssel drinnen und ich draußen. Eine Fehlfunktion, die auch mal einem Bekannten von mir passiert ist. – Zum Glück halte ich das Fenster immer einen Spaltbreit offen. Etwas Ziehen, Drehen und Biegen – die Seitenfenster stehen nur recht lose in der Führung –, und das Problem ist gelöst. Puh!
Ab in das erwähnte größere Dorf und einen Sixpack mit Multivitaminsaft-Literflaschen besorgt. Das wird wohl für die nächsten 36 Stunden meine ganze Nahrung sein. Im Industriegebiet gibt es jetzt genug freie Parkplätze, und so beginnen, nachdem ich dort geparkt hatte, anderthalb öde, aber sonnige Tage; Tage des Dösens und Radiohörens …
DI 6.8.: … bis es am Mittag endlich Zeit ist, Koffer, Tasche und einen Rucksack durch die Hitze zu schleppen, ca. einen Kilometer weit, und einzuchecken. Ich bin sehr matt.
Mit dem Bus wurden wir „Fußpassagiere“ aufs Schiff gebracht. Die rutschenden Taschen und die rutschende Hose beim schweißtreibenden Marsch über steile und enge und durch schwergängige Türen zu halten ist schwer; aber endlich das erste Bierchen! Was heißt eins – mehrere lettische Biere gab's und Cider … und belegte Brötchen. Das muß als feste Nahrung genügen …
Pünktlich schoben wir uns um 16 Uhr bei strahlendem Sommerwetter aus der Bucht von Travemünde, vorbei an den niedlichen alten Häusern, den Seglern, dem weniger niedlichen Hotelklotz MARITIM und seinem vollen Strand auf die blaue Ostsee. Bilderbuch-Sommerwetter.
Zurück an die Bar. Kontaktlose Zahlung mit der EC-Karte; ohne PIN. Funktionierte jedenfalls. Sehr einfach und bequem – auch für Diebe.
Immerhin war mein Pullmansessel nur ein paar Meter von der Bar entfernt, auch neben einem Klo, einer Seekarte und einem Aussichtsdeck.
Ich hatte drei Sessel für mich; am Schluß war ich gar ganz allein in diesem Teil der Ruhesessel. Die Familienkabinen waren ausgebucht, die Pullmansessel fast leer. Allerdings waren die in meiner Nähe auch die am hellsten beleuchteten und nicht unbedingt die bequemsten des Schiffes.
So fesche "Gardistinnen" sah ich niemals - die Frauen saßen an der Kasse oder waren in der Küche tätig ... |
MI 7.8.: Die See war still wie ein Spiegel, ruhiger ging's nicht. Reisen bildet, u. a. die Erkenntnis, daß eine Kreuzfahrt, auch mit einem/r netten Gefährten/-in, nichts für mich ist. „Der Unterhaltungswert der hohen See wird oft überschätzt“, schrieb mal ein Segler. Das viele Essen würde mir eine neue Wampe wachsen lassen, und die restlichen Aktivitäten kann man in der Pfeife rauchen ;-)
Reisen bildet – aber keine neuen Zähne. Im Spiegel sah ich, daß der verfärbte Zahn, der noch vor kurzem neben einer Zahnlücke zu sehen war, jetzt nur noch ein splitternder Stumpf war. Eine Totalsanierung ist nötig! Nach 19 Jahren ohne Zahnarztbesuch … Ich muß fast alles selber zahlen, da schiebt man so was gern auf. Aber dann wird’s noch teurer …
In Paris traf ich alte Juden, die vor Hitler geflohen waren. Sie sagten: „Früher hatten wir Zähne, aber kein Fleisch. Jetzt haben wir Fleisch, aber keine Zähne mehr …“
Auch sonst wird mir manches klarer.
24/12/24!
Den Verkauf der meisten Ebooks werde ich doch schon, wie ursprünglich geplant, zum Jahresende 2024 einstellen statt zum Jahresende 2025. Was soll man das Elend oder Siechtum, den schleppenden Verkauf der schon am 1.11.'23 auf 1,49 € verbilligten Werke, unnötig lange hinziehen.
In diesem „Schreiburlaub“ in Libau werde ich wohl nicht, wie geplant, Neues in Angriff nehmen, sondern eher „Lückenschließungen“ bei halbfertigen Projekten (wie bei Autobahnen) machen oder das, was gefällt, wie etwa diesen Reisebericht. Diese Erkenntnis kamen mir wie den vielen Osteuropäern, darunter viele Lkw-Fahrer, des Morgens auf Deck bei einer ersten Zigarette (bei mir nicht) und einem ersten Bierchen, morgens um 10.
Zum Glück gehöre ich nicht zu jenen Zeitgenossen, die beim Grinsen alle Zähne mitsamt Zahnfleisch sehen lassen müssen/wollen – das sähe übel aus bei mir.
Wir fahren dem schlechten Wetter, das Mittwochmorgen Schleswig-Holstein schon wieder erreicht haben soll, ostwärts davon.
Die 22 Stunden Fahrt ziehen sich wie Kaugummi – fast so wie die 12 Stunden Flug von Frankfurt nach San Francisco. Stadtpläne von Libau sind an der Info schon aus – im Büro der Stena Line in Libau werde ich fündig.
Rein in den Minibus – auf den Vorplatz vor dem Stena-Line-Gebäude. Alles ist etwas rumpliger, holpriger, improvisierter als in Deutschland. Willkommen in Liepaja, Lettland.
So ein knackiger Delinquentenpo in des Kommandanten Bett - dabei schätzte man weder in der SU noch in Lettland Schwulitäten. Nur 25 % der Letten billigen gleichgeschlechtliche Liaisons - nur in Bulgarien ist mit 20 % der Wert noch niedriger ... |
Der Weg zum „Nationalmonument“ Karosta-Knast war nicht schwer zu finden, aber doch ca. zwei bis drei Kilometer lang – bei Hitze und mit Koffern und Taschen anstrengend. Man muß nordwärts und über eine historische Drehbrücke, die zweimal täglich geöffnet wird …
Hier die Drehbrücke:
Mal windet es stark, mal schwach, mal zeigt die See stürmische Schaumkrönchen, mal war sie sanft und friedlich – das genügte mir im großen und ganzen. Schon 2004. Damals machte ich mit dem 7-PS-Roller, einem Honda Lead, eine Baltikum-Rundtour, von Memel und der Kurischen Nehrung (und Thomas Manns Sommerhaus knapp jenseits der damaligen Grenze) über Riga und das zwischen Estland und Lettland geteilte Valga und Dorpat, Reval, Hapsal und Pärnu. Auf dem Weg dorthin neben einigen Karrieremachen und Schnellfahrern vor mir einer in einem Wagen noch mit deutscher Reklameaufschrift, der auf freier Strecke genau wie ich nur 70 fuhr – das Auto war wahrscheinlich billig eingekauft, und nun mußte jedes Tröpfchen Sprit gespart werden. So war's schon 1986 beim Besuch in Schlesien gewesen. Sprit war rationiert, und wer sein Auto nicht beruflich brauchte, bekam 20 Liter monatlich. So sah man dann ganze Familien beim Sonntagsausflug in diesen winzigen 23-PS-Polskifiats im vierten Gang mit Tempo 50 oder 60 dahinschleichen, um kein Tröpfchen Benzin zu viel zu verbrauchen. Heckmotorwagen – Busse und Pkw – fuhren oft mit leicht geöffneter Motorraumklappe, damit man sie bei Bedarf schnell wiederbeleben konnte ;-)
Endlich erreichte ich in 70-km/h-Schleichfahrt Pärnu; das Radio an einer Tankstelle dudelte mit wunderbar knarrendem R eine estnische Version von „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern – keine Angst, Ros'marie!“ Gegenüber lag ein „Best Western Hotel“ – in Wahrheit ein alter Kasten aus der Sowjetzeit –, in das ich eincheckte. „Die Gäste werden gebeten, auf dem Balkon keine Wäsche zum Trocknen aufzuhängen.“
Am Strand war ich auch. Er war sehr breit und weit und sandig und flach – man mußte schon 30 Meter ins Wasser gehen, damit es auch nur einen Meter tief war. „Und die Schnepfen sind auch schon da“, kommentierte ein Autor vor mir, als ich ihm telefonisch erzählt hatte, daß ich ein von einer Frau gelenktes Auto gesehen hatte mit dem Aufkleber „So many men – so few with brain.“ In der Tat: Wenn die Männer mal mehr verstandes- als hormongesteuert aufträten, könnten sie von vielen Frauen nicht mehr so leicht am Schwanz 'rumgeführt werden …
"Ich habe mehr Männer gesehen, die von dem Wunsch, Frau und Kinder zu haben und diesen ein behagliches Leben zu bieten, zerstört worden sind, als solche, die vom Alkohol kaputt gemacht wurden." William Butler Yeats (1865-1939)
Und wieder Riga. Als ich die Stadt verließ, war bunter Trauerblumenschmuck überall. Trauertag. Der Tag des Hitler-Stalin-Pakts (23.9.1939). An sich wollte ich das nordwestliche „Horn“ Lettlands, Kap Kolkasrags, umrunden und dann über Ventspils (Windau) nach Liepaja (Libau) fahren und dort noch einen Tag vor der Abfahrt des Schiffes verbringen. Doch ich fand den Weg nicht, wußte auch nicht, daß mich ca. 50 Kilometer Schotterstraße erwarteten, langweilige Kilometer, denn ein Waldstreifen trennte die Reisenden von der Ostsee. Vom Kulturzentrum des einst großen Volkes der Liven wußte ich noch nichts.
So fuhr ich direkt nach Libau – und hatte schon damals Mühe, drei Tage ohne Langeweile 'rumzubringen. Das hätte mir eigentlich eine Warnung sein müssen …
Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja – mit mir am Nordende der Drehbrücke, Stadtteil Karosta …
Man muß nordwärts über eine Drehbrücke und dann ostwärts an vergammelten Plattenbauten vorbei durch den stark „russenlastigen“, nicht den besten Ruf habenden Stadtteil Karosta. Sogar eine prunkvolle orthodoxe ließ der Zar dort seinen Untertanen bauen; gülden spiegeln ihre drei Zwiebeltürme die Morgensonne wider.
Kurz vor dem Ziel ein Tante-Emma-Laden, in den sogar schon belgisches Leffe vorgedrungen war – allerdings gehörte er auch zu einer Kette. Als ich mich zum Konsum des Bierchens in den Schatten des nahen Buswartehäuschens verzog, verzog sich der dort wartende blonde Knabe in die Sonne: Lieber im Heißen warten als neben diesem Alki … Anderntags beobachtete ich dort eine Blondine in einem grünen Minikleid und dazu passenden Absatzschuhen, wie sie zwei strohblonde Stöpsel aus ihrem SUV lud und wenig später wieder einlud. – Einige Knäste weltweit wurden schon in Hotels umgebaut, meist aber recht luxuriös. Hier im Karosta-Exknast ist alles sehr „authentisch“ geblieben – es ist ja auch ein Denkmal.
So etwa (Bild oben), sah meine Zelle aus. Von 19 bis 9 Uhr ist die Gedenkstätte/das Museum geschlossen, aber die „Insassen“ dürfen trotzdem nachts raus ins Nachtleben von Karosta – nur gibt’s hier fast gar nix außer zumeist unsanierte Plattenbauten …
Eingeschlossen wird man also nicht („Schade!“ höre ich die beste Domina von allen sagen); es ist eher eine Art besondere Jugendherberge. Auch Frühstück gibt’s gegen Aufpreis (immer Rührei mit Schinken).
Zur Stadt: Außerhalb der Altstadt gibt’s tatsächlich recht wenige Kneipen, und die Altstadt ist leider 5,6 km vom Karosta-Exknast entfernt, wie es auf einem Wegweiser heißt.
Einmal benutzte ich diese Minibusse, die durch die Stadt fahren. Er kutschierte mich und die anderen Fahrgäste (fast alles Frauen) kreuz und quer durch die Stadt, an allen häßlichen Orten vorbei, an denen kein Mangel zu herrschen scheint. Nein, dann doch lieber die fünf Kilometer stramm geradeaus marschieren. Auch ein Fitneßprogramm: Täglich zehn Kilometer gehen.
Der Führer der Knastbesichtigungstouren, der am Tag meiner Ankunft seinen letzten Arbeitstag hatte und danach ein paar Tage frei, setzte sich an meinem Ankunftsabend zu mir. Er sprach deutsch, hatte jahrelang im Leipziger Süden gelebt, in Connewitz, sprach gut deutsch.
Ich bereue noch heute, nach einem Leipziger Buchmessentag meinen Journalistenkumpel S. nach Connewitz geführt zu haben – statt daß wir irgendwo im Stadtzentrum aßen und tranken. Ich tat es, weil der gedruckte Taschenbuch-Stadtführer Connewitz und seine Kneipen für so „authentisch“ hielt. Ja, authentisch linksradikal bescheuert, könnte man sagen. Der schottische Reiseblogger Steve Marsh war von Leipzig und seinem riesigen Hauptbahnhof ganz angetan, aber als er dann, wie üblich pausenlos filmend, zu seinem Billighotel im Leipziger Süden marschierte, wurde er plötzlich von Linksradikalen umringt, die meinten, er wolle sie filmen. Mit knapper Not kam er ungeschoren davon …
Er ist nebenberuflich auch Schriftsteller oder Verleger, und zwar in puncto Baltikum. Er wünscht sich deutsche Einwanderer in Lettland. „Das könnte uns guttun.“ Es tut richtig gut, wenn jemand noch an das Gute im Deutschen glaubt …
Hier noch ein Video einer Trambahnfahrt durch Libau - Plattenbauten, Holzhäuser, Steinhäuser, mal vergammelt, mal renoviert, auch mal unasphaltierte Nebenstraßen:
Ende Teil I von II
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