29.6.11

Wovon Verleger leben - ein Mailwechsel zwischen einer Autorin und ihrem Verleger (gelb)

Hallo Rüdiger

Hallo X.,

Du liebe Güte, Du bist nun der zweite Autor, bei dem ich „Seelenmassage“ treiben muß;-) Der erste ist Freiberufler, und sein Buch läuft gut, über 200 Stück im Halbjahr, trotzdem klagt er über den „schleppenden Verkauf“. Ich gab ihm eine Antwort, die Du wahrscheinlich kritisieren würdest ...


Also zuerst einmal möchte Herrn Torres gratulieren. Es hilft uns anderen Autoren ja auch, wenn er so gefragt ist und sich Leser vielleicht noch ein Buch aus dem Verlag holen.
Aber jedes Mal fällt mir auf, dass irgend so ein Satz von dir fällt, der unheimlich negativ bei all denen ankommen muss, die nicht so erfolgreich sind. Du bist doch unser Verleger! Alle legten ihr Herzblut in ihre Geschichte und haben sich bemüht, sind traurig, dass ihr Buch nicht läuft und der Herr Verleger setzt noch einen drauf. TOT.

Tut mir leid, wenn das so negativ ankommt, aber so ist es nun mal. Ich muß ja auch damit leben, daß meine selbstgeschriebenen „FamilienWerte“ praktisch tot sind. Das fällt mir auch nicht leicht – bei den vielleicht 300 Arbeitsstunden, die dieser Roman gekostet hat. In unserer medialen Wirklichkeit setzt der sich der durch, der am lautesten brüllt, und das fällt Kleinverlagen schwer, die bleiben meist Mauerblümchen, auch wenn die Romane noch so gut sind.

Dass das Verlagswesen eh hartes Brot ist, vor allem für die Autoren, die keine Antworten auf Anfragen bekommen, abgewimmelt werden, usw., das wissen wir alle. Ich lebe glücklicherweise nicht davon, aber man kommt sich ständig vor wie ein lästiger Bittsteller. Ich habe das Gefühl den Verlagen ist nicht klar, wer ihr Brot backt!

Doch. Vor allem ist ihnen aber auch klar, daß der Tag nur 24 Stunden hat. Wenn Du einen Schreibtisch voller Manuskripte hättest, Bürokram, Steuerkram, Hausrenovierung beginnt demnächst, und dann flattern auch noch wöchentlich drei Anfragen von Romanautoren ein, Romane, die Du wenigstens anlesen mußt, dann wirst Du irgendwann etwas kurz angebunden, auch wenn Du das vermeiden wolltest. (Nicht gerechnet diejenigen, die dann mit Dir um jedes Komma und jedes Rechtschreibdetail rechten; seitdem mache ich so was nicht mehr „demokratisch“ in Absprache mit denen, sondern weitgehend im Alleingang, genau wie die Festlegung des Titelbilds. Es ist einfach nervenschonender ;-) – und meine Nerven brauch ich noch – für mich und meine Autoren :-)

Natürlich kann man von dämlichen B-Prominenten-Büchern oder Diätratgebern leben, aber ich, als Leser, stelle fest, dass die Bestsellerlisten immer mieser werden. Gute Plätze heißt nicht immer gute Qualität, auch wenn ich jetzt ein Eigentor schieße.

Das trifft zwar zu, aber ein gutes Buch, das (fast) keiner liest, ist für niemanden ein Gewinn, weder wirtschaftlich noch ideell. Mir mißfällt es auch, daß ich von „FamilienWerte“ in vier Jahren keine 300 Stück verkauft habe und von „Die Schrift“ noch weniger. Bei diesen und bei anderen Titeln werde ich es mit einem platteren, „derberen“ Titel noch mal versuchen, vielleicht klappt’s dann – weniger literarisch, aber erfolgreicher. So ist das Leben (anscheinend) leider. Von „Ins Röckchen gezwungen“ habe ich 4.500 Stück verkauft und von „Ich war kein braves Mädel, Santa Claus“ nach dessen „Umtaufe“ in „Eine Nacht lang wirst du käuflich sein“ und mit neuem Titelbild 2.500 (vorher waren’s 450). Der Verkaufserfolg wurde auch durch das neue Titelbild mit ermöglicht, und als ich mich zweimal in meinen Halbjahrs-Hitlisten erfreut darüber geäußert hatte, bat mich die Designerin des alten Titelbilds gramerfüllt, das doch bitte nicht mehr SO zu sagen. Fortan sagte ich es auch nicht mehr – aber die Fakten blieben dieselben. Mittlerweile ist „Eine Nacht lang ..“ auch am Ende, aber nach 2.500 Exemplaren ist das verkraftbar, auch wenn ich mir natürlich wünschte, es würde ewig leben :-)

Ärgerlicher ist es bei Titeln, die von allen für gut befunden wurden, von der Kritik, meiner Wenigkeit und meinen „Testlesern“. Und so wird aus „FamilienWerte“ demnächst „Ins Kleidchen gezwungen“, aus „Die Schrift“ „Gefesselt von afrikanischen Amazonen“ oder so ähnlich. Mal sehen, wie es dann läuft. Mir gefallen diese Umbenennungen nicht sonderlich, aber man muß die Leser da abholen, wo sie sind: auf der Suche nach Geilem. Und es gelten dieselben Gesetze wie bei der Zeitschriftenwerbung: Was nicht im ersten Moment schon die Aufmerksamkeit der Leser auf sich zieht, das hat keine Chance mehr.


Ich bin ganz zufrieden mit meinem Verkauf, ist doch mein Buch harter Tobak und nicht jedermanns Sache. Aber mir tun jedesmal diejenigen Autoren Leid, die nichts verkaufen und die sehr plastisch vorgeführt werden.

Mir tun die auch leid, aber nur um den Preis des Verzichts auf die Rundmails könnte ich daran was ändern. Wenn ich lese, daß Großverlage bei 1000 Veröffentlichungen nur bei einer einzigen einen neuen, unbekannten Autor nehmen, greife ich mir auch an den Kopf – ertappe mich aber dabei, diesen Verlagen immer ähnlicher zu werden: Flattert mir das Manuskript eines bewährten Autors auf den Tisch, bin ich deutlich geneigter, als wenn es sich um den Erguß eines Unbekannten handelt ...

Sorry, aber das musste ich mal loswerden. Ein bisschen bauchpinseln tut dir doch nicht weh und andere baut es vielleicht auf.

Ja, möglicherweise. Aber wenn dahinter nichts ist, wenn man die lobenden Worte als hohle Phrasen erkennt, dann ist damit (fast) nichts gewonnen.

Freundliche Grüße

Rüdiger

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