2.6.11

Recherche im Dauerlauf: Was Frankfurt-Marathon und Tübinger Kneipenführer miteinander zu tun haben

Viel. Denn zum Frankfurt-Marathon am 30.10. habe ich mich fest angemeldet, und meine Trainingsläufe werde ich durch Tübingen absolvieren. Ziel ist nicht eine besonders beeindruckende Zeit, sondern daß mir im Spätherbst endlich wieder alle alten Hosen passen ...
Aber eins nach dem anderen: »Den solltest du in aktueller Form herausbringen, dann können wir unsere Kneipentouren von der Steuer absetzen!« Mit diesen Worten drückte mir Freund D. Ende der 90er Jahre den damals schon veralteten »Tübinger Kneipenführer« in die Hand.
»Der Rechercheaufwand ist hoch, zeitlich wie finanziell, und dieses ganze Hintergrundwissen, das der Autor des alten Führers hatte, fehlt mir!« erwiderte ich. Zumal ich die Lokalzeitung schon seit ewigen Zeiten nicht mehr abonniert habe, vielmehr nur gelegentlich in Kneipen lese.
Doch kommt Zeit, kommt Rat. Mittlerweile bin ich im Stammtisch »Unser Huhn«, dessen Journalisten bei letzterem Punkt Hilfe bieten können.
So war es schon fast beschlossene Sache. Nach dem Frankfurt-Marathon sollte die ernsthafte Recherchearbeit beginnen. Der alte Führer verzeichnete rund 200 Lokale. Nähme man sich jeden Samstag fünf vor, wäre man an 40 Wochenenden fertig - im doppelten Sinne des Wortes. Harte Arbeit eben.
Doch warum so lange warten? Das herrliche Wetter ist besser für Gartenlokale als der finstere Winter, und draußen joggt sich's nicht nur angenehmer, sondern auch - mit Steigungen und Gefällen - praxisnäher, gerade wenn man dort die Geschwindigkeit nicht haargenau einstellen kann wie auf dem Laufband.
Und so joggte ich heute nachmittag nicht auf dem öden Laufband, sondern aus dem MAPET westwärts, unter der B 28 hindurch ins schnieke neue »französische Viertel«. Die einen sagen, dies sei ein neugrünes Spießerviertel, die anderen sagen, dies sei die Zukunft Tübingens - und womöglich haben beide recht ...
Etwa eine Handvoll Lokale sah ich beim munteren Kreuz-und-Quer-Joggen, nur das »Tanzlokal Boccanegra«, wo vor Tagen eine Ex-Stammtischgenossin finnische Tangos zum Besten gegeben hatte, das entdeckte ich nicht.
Weiter westwärts durch reine Wohnquartiere, über die B 27, vorbei am »Lomo«, wo ich mit Assistent und Freund D. jeden Freitagabend »After-work-Treffen« habe, vorbei am noblen neuen Hotel »La Casa«, vorbei am Sternplatz, wo ich mit D. vor Jahren in einem »angesagten« Lokal das mieseste Bier meines Lebens getrunken hatte - und schließlich blieb ich im Aspendos, einem türkischen Restaurant, hängen. Türkisches Essen. Gut, aber nicht eben billig. Zwei Radler. Cocktails gibt's erst ab 17 Uhr. Wäre wohl auch nicht so gut gewesen, die gut zwei Kilometer zurück zum MAPET mit einem »Zombie« im Magen zurückzulegen. Obwohl das ja andererseits auch eine Möglichkeit ist, wieder etwas auszunüchtern.
Zurück ins Fitneßstudio, duschen, ab ins Auto und heimwärts - aber vorher noch mal ins französische Viertel, suchen ... und finden: Das Boccanegra ist, wie ich überrascht feststelle, der Tanzboden unterm Dach eines Industriegebäudes, der um 2007 unseren Stepkurs beherbergte - mit den üblichen Sorgen um zertanzte Fußböden und Krach. Selbst im Hochsommer mußten wir die Fenster deswegen geschlossen halten.
Im April hatte ich den Wien-Marathon absolviert und erstmals mit 4:58 ein Ergebnis unter 5 Stunden erzielt. An einem Sonntag war das, und vom Marathonziel am Heldenplatz war ich noch 10 Kilometer zu meinem Auto gelaufen, am Montag war ich 600 km nach Tübingen gefahren und hatte abends am üblichen allwöchentlichen Stepkurs teilgenommen ...
Von wegen Café - einfach nur ein Tanzboden!: das Boccanegra.
Claudia Jochen von »Varalliset huulet« (»gefährliche Lippen«) vertonte im Boccanegra Jürgen Jonas' Kirschblütengedichte.
Mal sehen, wohin mich meine Joggingausflüge sonst noch so hintragen.

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