30.5.06

Und schon wieder 2153 Euro ärmer - die Künstler und das Soziale

2153 Euro – so hoch lautete der Bescheid – mußte ich heute an die Künstlersozialkasse abführen. Jahrelang hatte ich mich nicht um diese Institution gekümmert. Wenn die was von mir wollen, sollen sie sich halt melden, dachte ich. Die Berufsverbände, zuständig für die Unfallversicherung etc. pp., hatten sich ja auch sofort bei mir gemeldet, als ich Ende 1996 meinen Gewerbeschein als Verleger in der Tasche hatte. Nun muß ich für alle Honorare seit 2001 einen pauschalen Prozentsatz von gut 5 % nachzahlen, als Arbeitgeberbeitrag für die 1983 gegründete Künstlersozialkasse. Was für ein Blödsinn!
90 % meiner Autoren sind Freizeitautoren, deren Honorare ein paar hundert Euro pro Jahr nicht übersteigen. Auch auf diese Honorare muß ich Abgaben zahlen, obwohl diese Autoren niemals eine Rente aus der KSK erhalten werden. Meine Illustratoren und Grafiker sitzen in Wien und Zürich? Macht doch nichts, erklärte mir die Dame von der KSK am Telephon, das sind Honorare, also müssen sie auf die auch pauschal diese Abgabe zahlen, auch wenn die Österreicher und Schweizer niemals eine Rente aus der deutschen Künstlersozialkasse erhalten werden. Nutznießer dieser Kasse sind in Wahrheit sehr wenige Vollzeit-Schriftsteller, unter meinen Autoren allenfalls zwei, drei Leutchen (von drei Dutzend Autoren insgesamt); und für Belletristikautoren gilt das auch nur sehr eingeschränkt, mehr für Sachbuchautoren, so erklärte mir gerade ein Autor am Telephon. Es solle eine Art »Kopierabgabe« sein, weil Sachbücher ja in öffentlichen Bibliotheken stünden und häufiger kopiert würden. (Also ich kann mich erinnern, auch Romane kopiert zu haben ...)
Ja, das finanzielle Wohlwollen deutscher Politiker gegenüber der Kultur. Was spricht eigentlich dagegen, Bücher wie eine x-beliebige Handelsware zu betrachten? Gut, der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Bücher (7 statt 16 oder demnächst 19 %) ist angenehm, schafft aber auch bürokratischen Mehraufwand und Abgrenzungsprobleme. Besser wär ein einheitlicher, dafür etwas niedrigerer Steuersatz, etwa 15 %. Ein 15-Euro-Buch würde sich dann auf 16 Euro verteuern – was soll’s? Dafür würden sich ja dann andere Dinge verbilligen ...
Das heißt, wenn das mit der Preisbindung weiterhin so umständlich bleibt, dann wäre das doch ärgerlich, dann müßte ich nämlich jeden Preis offiziell ändern. Statt sie einfach so anzupassen. Auch die Preisbindung wurde zum Schutze des edlen Kulturguts Buch eingeführt und jahrzehntelang von interessierten Kreisen verteidigt. Die Standardargumentation pro Preisbindung geht so: a) Wir müssen die kleinen Buchläden schützen gegen die großen Kettenläden. Auch in Zukunft soll’s die Buchhandlung an der Ecke geben. Mit der Preisbindung können die großen Läden einzelne Buchtitel nicht mehr billiger anbieten als die kleinen. Das stimmt, aber den Niedergang der kleinen Buchläden hat das bestenfalls abgebremst.
b) Den Verlagen soll weiterhin eine Quersubventionierung möglich sein. Viele Verlage haben einige wenige Bestseller, und deren Erträge subventionieren dann die anspruchsvolle Literatur, die Nieten und Ladenhüter quer (wobei gern unterstellt wird, daß diese beiden Kategorien identisch sind, mit einem falschen Rückschluß: »Anspruchsvolle Literatur geht oft nicht gut; also müssen Bücher, die nicht gut gehen, anspruchsvolle Literatur sein.« Daß das Publikum auch mal den richtigen Riecher haben und langweiligen Blödsinn einfach links liegenlassen könnte, ist nach solch einem Weltbild wohl ausgeschlossen). Wenn’s die Preisbindung nicht gäbe, würden die Kaufhausketten Bestseller billiger anbieten und Druck auf die Verlage ausüben (»Höhere Rabatte bitte!«) mit ihrer enormen Nachfragemacht, und schon brächten die Bestseller den Verlagen nicht mehr so viel ein, daß sie die Ladenhüter quersubventionieren könnten. (Die Verlage sollten einfach noch mehr – wie ich bereits jetzt – auf Printing on Demand setzen, da brauchen sie von den Ladenhütern nicht mehr als 100 Stück auf einmal drucken zu lassen, und schon sinkt das Risiko beträchtlich ....) In Frankreich und Schweden habe man mit der Aufhebung der Preisbindung angebliche sehr üble Erfahrungen gemacht ...
So weit die »offizielle« Argumentation. Irgendwo im HGB, im Handelsgesetzbuch, steht das Verbot von Preisabsprachen und Kartellen, in § 15, glaube ich, und gleich danach steht die Ausnahme: die Ladenpreisbindung des Buchhandels als Sonderfall eines erlaubten Kartells. Erlaubt ist es nur, wenn es lückenlos eingehalten wird. Jeder Buchhändler muß den »Sammelrevers Dr. Franzen« unterschreiben, womit er sich verpflichtet, immer schön brav die Preisbindung einzuhalten und niemals dagegen zu verstoßen. Zumindest bei ladenneuen Büchern. Aber sind Bücher noch ladenneu, wenn sie zuvor nach Österreich verkauft und von dort sofort reimportiert worden sind? Durch solche Preisbrecheraktivitäten in großem Stile wurde die Preisbindung im Jahre 2002 unhaltbar, zumal auch die EU-Kommission sich einschaltete und die Preisbindung – unter Geflenne der gesamten deutschen Kulturbranche – für nicht mehr vereinbar mit EU-Recht erklärte. Doch es kam noch schlimmer: Statt der bisherigen freiwilligen kartellähnlichen Vereinbarung kam es nun zu einem Gesetz, das die Preisbindung lückenlos regelt. Hatte ich vorher als Verleger noch das Recht, die Preise meiner Bücher entweder zu binden oder frei zu lassen, so bin ich nunmehr gezwungen, einen fixen Ladenpreis festzusetzen.
Das ist natürlich blöd. Denn ich betreibe eine Quersubventionierung ganz anderer Art. Ich gehöre nämlich zu den wenigen Verlagen, die nicht nur an den gewöhnlichen Buchhandel verkaufen, sondern auch an den Erotikhandel. Und der ist enorm rabattgierig. »Als der Hausbesitzer hörte, daß hier ein Sexshop rein soll, hat er mir gleich die doppelte Miete abverlangt«, klagte der Besitzer eines Tübinger Sexshops mal mir gegenüber. Und um das wieder reinzuwirtschaften, wollen Erotikeinzelhänder 50 % Rabatt (statt 30 % wie der einzelne Buchhändler), und der Erotikgroßhändler will 67 % (statt 50 % wie der Buchgroßhandel). Was sollte ich machen? Entweder ich setzte einen vernünftigen Ladenpreis an, dann war mit dem Erotikhandel kaum noch Geld zu verdienen, oder ich setzte den Preis so an, daß ich im Erotikhandel noch was verdienen konnte – dann war es aber eigentlich für den normalen Buchhandel zu teuer. Doch bis 2002 war ich ja nicht verpflichtet, meinen Ladenpreis zu binden, ich konnte das als Verleger auch lassen – und tat es auch. Jetzt geht das nicht mehr. Wenn ich jetzt in Buchhandel und Erotikhandel zu unterschiedlichen Ladenpreisen anbieten möchte, kann ich das nur mit verschiedenen Ausgaben mit verschiedenen ISBNs tun – sehr umständlich. Lohnt den Mehraufwand kaum.
Und die Künstlersozialkasse? Die wurde 1983 eingeführt. Da war schon Kohl an der Macht. »Die Wende«. Mehr Leistung, weniger Soziales, mehr Eigenverantwortung, das waren die Parolen. Gleichzeitig wurde aber weiter der schon in die finanzielle Krise geratene Sozialstaat weiter ausgebaut. Vor wenigen Tagen las ich im Wirtschaftsteil der FAZ, daß die Künstlersozialkasse nunmehr strenger gegen säumige Beitragszahler vorgehen wolle. Tja, Geld muß ins System gepumpt werden, koste es, was es wolle. Man mag sagen, die Pauschalbesteuerung aller von einem Verlag ausgeschütteten Honorare sei der einfachste Weg. Wie wär’s aber mit einem noch einfacheren?: Alle Künstler betrachten sich – wie ich – als Freiberufler, sorgen selbst für ihre Absicherung, und wenn sich das nicht trägt – na, dann können Sie eben keine Künstler sein, jedenfalls keine hauptberuflichen. So einfach könnte das sein.

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