Amazon: Wie in Kafkas »Schloß«

Zwei, drei Wochen ist es jetzt her, daß Amazon.de ein Dutzend Titel des konservativen Verlags Edition Antaios einfach so aus dem Programm genommen hat, vermutlich aus politischen Gründen. Der Versuch des in seiner Existenz bedrohten Verlegers, sich bei Amazon zu beschweren, führt ihn in eine kafkaeske Welt, in der alle Verantwortlichkeit von da nach dort verschoben wird und sich schließlich in einem Labyrinth auflöst:

Die Antworten übrigens, die viele [der Leser] auf Nachfrage von amazon erhielten, lassen sich als drei Bausteine beschreiben:
1. Zunächst griff amazon die Frage nach den verschwundenen Titeln auf, versprach Klärung und die Weitergabe des Buchwunsches an die Vertriebsabteilung;
2. Nach etwa einer Woche bekamen hartnäckige Frager zur Antwort, daß man sich die Streichung bestimmter Titel vorbehalte, und zwar dann, wenn die Bücher gegen interne Richtlinien verstießen. Lorenz Jäger und Marc Felix Serrao haben diese Hinweise zum Gegenstand zweier Beiträge in der FAZ und der SÜDDEUTSCHEN gemacht und jeweils das Bizarre einer Anwendung der Richtlinien auf die Bücher unseres Verlags herausgestrichen.
3. Irgendwann tauschte amazon die Textbausteine ein drittes Mal aus und verwies auf die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. [...]

Nachfragen unsererseits und die etlicher Kunden bei der BPjM ergaben, daß dort noch nie ein Buch unseres Verlags auch nur in Augenschein genommen worden wäre.

Bleibt zuletzt die Schilderung des Rechtswegs, der direkt in Kafkas Schloß führte: amazon teilte uns nach einigen heftigen Beschwerden, die wir per ePost über unseren Verkäufer-Zugang absandten, die Adresse der Rechtsabteilung in München mit. Der erste Brief unseres Rechtsanwalts kam als nicht zustellbar zurück, die Zustellung per Gerichtsvollzieher gelang dann irgendwo in Regensburg, blieb aber ohne Antwort. Eine erneute Anfrage ergab nun eine Adresse in Luxemburg, die Korrespondenz war ab sofort in französischer Sprache zu führen. Indes: Auch Luxemburg erwies sich als Sackgasse – die sogenannte Amazon EU Sarl ist nur über ein Postfach in Großbritannien zu erreichen, zusätzliche Korrespondenzsprache: Englisch.
An diesem Punkt stiegen wir aus, derlei Adressen und mögliche Gerichtsstände machen Klagen zu einem finanziell unkalkulierbaren Risiko. Für uns ist dies ein weiterer Beleg gegen die [...] These, daß der freie Markt aufgrund ureigener Nachhaltigkeitsinteressen (und ähnlichem) eine ethische Grundierung in sich trage. [...]
Jener ehrbare Kaufmann, der Geschäfte betreibt, zu Entscheidungen steht, sie begründet und im Zweifelsfall vor Gericht verteidigt, mag in Deutschland, im Mittelstand [...] noch eine Leitfigur sein; die Schachtel in der Schachtel in der Schachtel, die eine Krake wie amazon anlegt, um nicht faßbar zu sein, ist jedenfalls das Gegenbild.


Als ob es dafür noch einen weiteren Beleg gebraucht hätte, kamen heute in drei Paketen rund 200 Bücher von amazon zurück – jene Titel, die dort nicht mehr verkauft werden. Eine Lieferungsbeschreibung:
+ Ineinandergestopfte Bücher, nach einer ersten Sichtung ist die Hälfte für einen Weiterverkauf nicht mehr zu gebrauchen;
+ der Lieferschein weist die Bücher als »Rücksendung beschädigter Ware« aus. Jeder, der bei unserem Verlag je ein Buch bestellte, weiß, daß wir die Titel sogar einzeln in Pergamin einschlagen, um saubere Lieferungen zu gewährleisten. Bisher hatte amazon noch nie ein Buch wegen  Beschädigung zurücksenden müssen – nun auf einen Schlag 200;
+ Das Porto für derlei Sendungen tragen selbstverständlich wir.
+ Die Lieferung ist nicht vollständig. Es fehlen rund 40 aufgeführte Exemplare.

Ich sprach auf der Leipziger Buchmesse mit einem Verlegerkollegen, der wertvolle Bücher von amazon im Zustand einer Ramschware zurückgesandt bekam: Er führte danach über ein Jahr einen Briefwechsel, um am Ende 40 Prozent des Buchwertes erstattet zu bekommen. Bei jedem Buchhändler vor Ort, der von uns je beschädigte Ware bekam oder Bücher beschädigt remittierte, ging das bisher so: Anruf, Fallschilderung, Gutschrift, Ersatz – alles in allem eine Sache von zehn Minuten.

Hier  der komplette Bericht, und hier die Artikel von SÜDDEUTSCHER ZEITUNG und FAZ, und hier mein früherer Bericht darüber.      

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